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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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trotz seiner Begeisterung eher
unwahrscheinlich vorkam.
    Er kämpfte sich den Hang bis zum Sims oben hinauf und
folgte diesem an der Wand aus unebenem, gefurchtem Fels entlang.
Der Weg war von Geröll und heruntergefallenen Steinen
übersät. Am östlichen Ende endete das Sims in
einem Felssturz; am westlichen Ende bog es abrupt ab, wurde
schmaler und führte leicht abwärts. Nach etwa sechs
Metern stieg diese verborgene grobe Rinne, die hier durch zwei
riesige Felsbrocken zu einem Durchlaß von nicht einmal
einem halben Meter Breite verengt wurde, wieder an. Sie begann
sich hin und her zu schlängeln und wurde zu einem Labyrinth
aus granitenen Auswürfen, abfallenden Felswänden und
verborgenen Höhlen.
    Manche Höhlen waren kaum mehr als flache Einbuchtungen im
Stein. Andere sahen tief und dunkel aus, und Robbie konnte in
ihnen das ferne Gemurmel unterirdischer Flüsse hören.
Es war nicht so schwer, wie er erwartet hatte, die Höhle zu
finden, die er suchte, trotz ihres versteckten Eingangs; Mallie
Callahan hatte nicht mehr die Kraft für eine gründliche
Suche gehabt. Der Eingang war nur einen knappen halben Meter
hoch, ein flacher, von Buschwerk verdeckter Spalt. Robbie schnitt
das Buschwerk ab, schaltete seine starke Taschenlampe ein und
legte sich flach auf den Bauch. Er spähte hinein.
    Dreißig Zentimeter weiter drinnen wurde die Höhle
abrupt höher und breiter; sie hatte die Größe
seines Zimmers im Rock End Motel. Es roch feucht, aber weder nach
Aas noch nach dem muffigen Dung von lebenden Tieren, die in ihr
hausten. Robbie krabbelte hinein. Als er sich nach vorn bewegte,
wäre er beinahe hingefallen. Der Boden aus gefurchtem Felsen
war nicht so eben, wie er aussah, er hob und senkte sich, als ob
er aus uralten, versteinerten Wellen bestünde. Das Herz
schlug ihm bis in die Ohren. Er stand auf und ließ den
Strahl seiner Taschenlampe über die Wände gleiten.
Links von ihm war ein Teil der Decke eingestürzt und bildete
zerklüftete Haufen, die es in seiner Erinnerung nicht
gegeben hatte. Rechts von ihm lehnte ein Skelett an der sanft
nach hinten geneigten, heilen Wand.
    Robbie sah sich selbst an.
    Die Knochen hatten allesamt überdauert, auch wenn sie zu
einem unordentlichen Haufen zusammengefallen waren,
wahrscheinlich bei derselben Felsbewegung, bei der die Decke
eingestürzt war. Nur die langen Ober- und
Unterschenkelknochen lagen unberührt da, ordentlich in
sitzender Haltung ausgestreckt; das Ende jedes Schienbeins
steckte in verrottenden Lederstiefeln. Die restlichen
weißen Knochen waren mit Überresten einer schweren
Jacke vermischt. Der Baumwollstoff von Hose und Hemd war
verschwunden, doch Stücke eines roten Halstuchs lagen als
unpassend fröhliche Tupfen auf dem Boden. Am wenigsten hatte
der Zahn der Zeit an den Satteltaschen, dem großen,
rostigen Revolver und dem Schädel selbst genagt, der Robbie
vom oberen Ende des zusammengefallenen Skeletts aus
angrinste.
    Er streckte einen Finger aus und berührte die leere
Augenhöhle. Bei seiner Berührung verschob sich der
Knochenhaufen mit einem trockenen Klappern und kam dann wieder
zur Ruhe.
    Robbie Callahan. Mallie Brekke.
    Er kniete auf dem Steinboden nieder und hob die
Schußwaffe auf. Rost blätterte in großen
Stücken ab. Er öffnete ihn und merkte, daß der
sechsschüssige Revolver viel schwerer und klobiger war als
die Plastikwaffe, die er in Liberia dabeigehabt hatte. In der
Sechsertrommel waren zwei Kugeln. Zwei hatte er am Ufer des
Sweetwater in Johnny Lee Benson gefeuert, eine in die Squaw. Nun
hob er den Schädel hoch und leuchtete mit der Taschenlampe
direkt in den Knochenhaufen darunter. Die Kugel war da, nah an
der Wand, an einer Seite abgeplattet. Also war das sitzende
Skelett doch nicht erst bei dem Felssturz weggesackt und
zusammengebrochen.
    Auf einmal senkte sich etwas Schweres auf Robbie herab. Er
fühlte es so deutlich, als ob die Last aus Felsen
bestünde; ein unbarmherziges, langsames Drücken in
seinem Hinterkopf, als ob sich dort ein Eisberg hineinschieben
wollte. Oder heraus. Er preßte beide Hände an den
Kopf. Aber gleich darauf verschwand der Druck, und er nahm die
Hände weg. Er zitterte am ganzen Körper.
    Die ledernen Satteltaschen waren steif und grün vom Alter
und schwerer, als er erwartet hatte. Alles schien schwer zu sein:
der Revolver, die Taschen, der Metallverschluß, der nicht
nachgeben wollte. Er öffnete ihn mit Gewalt und drehte

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