Schädelrose
antworten.
»Sie sind also keine Gaistin«, sagte Caroline.
»Meinen Sie, die sind alle verrückt?«
Die Frau ließ sich lange Zeit mit der Antwort – so
lange es ging, dachte Caroline, bis sie antworten mußte.
Die zahlt den dreifachen Preis, wissense. »Keine Ahnung, ob
die verrückt sind, und es ist mir auch egal. Die Dinge sind
nun mal so, wie sie sind. Was macht es schon, ob die Erde es zu
tun versucht oder nicht? Es ist, wie es ist.«
»Danke«, sagte Caroline trocken, und die Frau
machte ein finsteres Gesicht.
Sie war eine gute Pilotin; das Flugzeug landete butterweich
und zwanzig Minuten vor der Zeit in Lander. Caroline bezahlte den
dreifachen Preis und gab ihr soviel Trinkgeld, daß die Frau
erstaunt dreinschaute. Der Fahrer des Luftwagens, den sie von
Rochester aus reserviert hatte, stand da und wartete auf sie, ein
dunkles, aber noch hispanisches Gesicht über einer
lächerlich theatralischen schwarzsilbernen Uniform.
»Doktor Jeeves, nehme ich an?« sagte Caroline. Der
Mann sah verwirrt aus. Kein Wunder – sie benahm sich wie
eine Irre, war aufgedreht bis zum Anschlag. Sie fühlte sie
in sich, die halb erschreckende und halb köstliche Panik,
wie Lampenfieber. Oder Liebe.
»Mein Name ist Cristobal Ramos, Ma’am«,
sagte der Fahrer ernst und würdevoll.
»Ich muß zum Rock End Motel in Sanderton –
das ist keine Stadt, sondern nur eine Ortschaft…«
Sie hörte ihr eigenes Geplapper und versuchte, sich in den
Griff zu bekommen. »Es ist am Highway… Schauen Sie,
hier sind die Luftkoordinaten. Wie lange werden wir
brauchen?«
»Eine halbe Stunde«, sagte Ramos.
»Wirklich? Ich bin beeindruckt.«
Ramos grinste plötzlich, ein breites Aufblitzen von
Zähnen, das sein strenges Gesicht vollkommen
veränderte. Das einen anderen Menschen aus ihm machte,
dachte Caroline und spürte den plötzlichen Drang, zu
kichern. Wie viele verschiedene Menschen bist du, Cristobal?
Ich nehnt’s mit dir auf! Aber nein, nicht hier, nicht
jetzt, bitte kein Gelächter, kein Lachkoller hier und
jetzt.
Im Luftwagen schlief sie unglaublicherweise ein. Sie wachte
auf, als Ramos’ Hand sie sanft an der Schulter
rüttelte. Im grellen Sonnenschein war sein ernstes Gesicht
sehr weich. »Ma’am. Ma’am. Das Rock End
Motel.«
Eine schlanke Frau mit langen schwarzen Zöpfen lehnte im
Türrahmen des Büros. Caroline stieg blinzelnd aus dem
Wagen. Das Motel stand zwischen dem leeren Highway und einem
kleinen Wäldchen, das sich an einem Bach entlangzog, wie
Caroline vermutete. Prachtvolle Berge erhoben sich zu allen
Seiten. Die zehn Wohneinheiten des Motels waren alle gleich:
abblätternde graue Farbe, Unkraut, das an den Zementmauern
sproß, ein großes, altmodisches Neonschild, das jetzt
ausgeschaltet war, auf dem Dach. Vor der am weitesten entfernten
Einheit standen zwei Luftwagen. Einer war schwarz und sah
offiziell aus, der andere war staubverdreckt, und der
Kühlergrill war von getrockneten Blättern verstopft.
Carolines Herz machte einen Satz.
»Ich suche jemanden, der gestern hier übernachtet
hat«, sagte sie zu der Frau. »Vielleicht ist er noch
hier. Mein Bruder. Sein Name ist Robbie Brekke.«
Die Frau schüttelte den Kopf. Ihre Augen waren
wachsam.
»Manchmal nennt er sich auch Paul Winter.«
Das Gesicht der Frau änderte sich nicht. Caroline und sie
sahen sich an.
»Wenn er Ihnen noch was schuldig ist – ich
würde es gern bezahlen.«
»Nummer vier«, sagte die Frau so leise, daß
Caroline sich vorbeugen mußte, um sie zu verstehen,
»aber der Agent ist auch da drin.«
»Agent?«
»FBI.«
Caroline machte große Augen. Sie lief zur Nummer vier
und riß die Tür auf. »Gehen Sie gleich wieder
raus, Miss, und machen Sie die Tür zu«, sagte ein Mann
im dunklen Anzug, der still direkt innen an der Tür stand.
Caroline beachtete ihn nicht.
Am anderen Ende des Zimmers stand Robbie und hielt sich ein
Stück versilbertes Glas unters Kinn. An der Art, wie er es
hielt – in lockerer Haltung, den linken Arm um die rechte
Seite geschlungen, die Beine schlaff –, konnte sie nicht
erkennen, ob die gezackte Spitze absichtlich oder zufällig
so nah an seinem Kinn war. Sein Gesicht war geschwollen und
blutig, und die Augen waren nur noch unkenntliche Schlitze. Das
Zimmer war völlig verwüstet: Jemand hatte die Matratze
vom Bett geworfen, wobei das Spannbettuch an den Ecken noch
hielt, hatte die Kommode umgestürzt, die Lampe zerschlagen
und die
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