Schädelrose
Aber woher
wissen Sie, daß ich ein Spatzenhirn habe? Ich könnte
doch ein junges mathematisches Genie sein. Oder ein erstklassiger
Kongreßberater. Oder ein Anwalt mit einem messerscharfen
Verstand. Die schmuggeln alle hin und wieder. Ich könnte
sonstwer sein. Sie wissen nicht mal, wen Sie da
zurückweisen.«
Er lächelte, freute sich über seinen eigenen Strom
von Worten, ohne eine Spur von Ärger über ihre. Sie
sagte müde: »Sie sind Schauspieler,
stimmt’s?«
»Nein. Aber Ihr erster Ex-Mann war einer,
stimmt’s?«
»Gut geraten.« Sie wartete darauf, daß er
auf ihren Vater zu sprechen kam. Als er das nicht tat, war sie
einen Moment lang unsicher; vielleicht war er doch kein
Schauspieler und kannte die Theaterwelt überhaupt nicht.
Oder vielleicht war er einfach nur gewiefter als die meisten.
Vielleicht hatte er die Geduld, den rechten Augenblick
abzuwarten, bevor er sie um die Vorstellung, die Vorsprechprobe
anging. Wenn Sie ihm gegenüber einfach mal meinen Namen
fallen lassen könnten, alles von Colin Cadavy
wäre eine Hilfe… Normalerweise konnte sie es
sofort erkennen. Vielleicht verlor sie doch noch ihr Auge.
»Wie viele Ex-Männer gibt’s denn?«
fragte Robbie.
Sie hatte keine Lust mehr, sich mit ihm zu kabbeln. Sie war
müde. Sie hielt sich mit beiden Händen am
Terrassengeländer fest, beugte sich hinaus, um die weiche
Nachtluft zu riechen, und sagte: »Warum sind Sie hier,
Robbie? Wozu diese Operation? Was hoffen Sie dadurch zu gewinnen,
daß Sie die Tür zu Ihren anderen Leben
aufsperren?«
Er zögerte nicht. »Geld.«
»>Geld«
»Dafür tue ich die meisten Dinge. Wenn auch nicht
alle. Wie viele Ex-Männer gibt es, Caroline?«
»Ich hab noch nie jemanden sagen hören, daß
Eufeln Geld bringen würde. Es kostet bloß
welches.«
»Oh, aber es ist eine gute Investition. Besonders wenn
man’s mit dem Geld anderer Leute macht.«
»Und das tun Sie?«
»Das wissen Sie doch. Ist eine tolle Geschichte. Aber
leider kann ich Sie Ihnen nicht erzählen. Da gibt’s
Leute, die was dagegen haben könnten.« Das letzte
sagte er mit einer Mischung aus Belustigung und
Selbstzufriedenheit, die Caroline sofort erkannte. Colin Cadavy,
der häppchenweise etwas über seine neue Rolle
durchsickern ließ, über den neuen Urlaubsort, an den
er sie mitnehmen würde, über seinen neuen Drogendeal.
Sie selbst, jünger und vertrauensseliger, wie sie weitere
aufregende Einzelheiten aus ihm herauskitzelte. Ein Spiel, wie
alle Spiele, die sie mit Colin gespielt hatte, mit Jeremy –
mit Charles? Nein. Charles machte keine Spiele.
»Mir wird kalt. Ich geh rein.«
»Gleich«, sagte er. »Jetzt müssen Sie
mir sagen – warum lassen Sie sich operieren? Was
hoffen Sie aus Ihrer Vergangenheit zu gewinnen?«
Sie hatte nicht erwartet, daß er fragen würde.
»Ach, nicht viel.«
»Warum tun Sie’s dann?«
»Frag ich mich auch.«
»Na kommen Sie, Caroline. Ich hab Ihnen ein
prägnantes, knappes Wort gegeben.«
Caroline lachte, zu ihrer eigenen Verblüffung. Impulsiv
legte sie ihm beide Hände auf die Schultern, brachte ihr
Gesicht nah an seins heran und sagte im gleichen
selbstzufriedenen Ton wie er: »Wenn ich das mit einem
prägnanten, knappen Wort beantworten könnte,
bräuchte ich gar nicht geeufelt zu werden. Ist eine tolle
Geschichte, aber leider kann ich sie Ihnen nicht
erzählen.«
Robbie versuchte, sie in die Arme zu nehmen. Sie wich
zurück, lächelnd und kopfschüttelnd, und machte
kehrt, um die Verandatür zu öffnen. Er faßte sie
an der Schulter. »Gehen Sie noch nicht rein.«
»Mir ist kalt.«
»Nehmen Sie meine Jacke.«
»Nein danke.«
»Na, dann will ich Ihnen zum Abschied wenigstens noch
einen guten Witz erzählen.« Sie blieb stehen, eine
Hand an der Tür, tolerant. »Was bekommt man, wenn man
ein Seuchenopfer mit einem Gaisten kreuzt?«
Caroline erstarrte.
Robbie sagte: »Einen Kerl, der jeden Tag an der gleichen
Stelle die Umwelt verschmutzt.«
Mit einer zügigen Bewegung öffnete sie die
Verandatür, machte sie hinter sich zu und drehte den
Schlüssel um. »He!« kam es gedämpft durchs
Glas. Caroline zog den rosenroten Samtvorhang vor das Fenster.
Sie zitterte.
Hör auf damit, befahl sie sich wütend. Er
wußte es nicht. Er konnte es nicht wissen. Er ist
bloß ein dummer Junge, der dumme Witze reißt.
Die Versammlung war zu Ende. Drei oder vier Leute standen am
anderen Ende des Raums beisammen und unterhielten sich.
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