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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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In der
ersten Reihe saß Dr. Armstrong und hörte steinern Bill
Prokop zu, dem Journalisten aus Philadelphia. Caroline sah Joe
McLaren aus dem Raum hinken. Sie holte ihn mühelos ein.
    »Mister McLaren. Was wird mit Sandy Ochs
geschehen?«
    Er machte ein überraschtes Gesicht. »Ich weiß
nicht. Ich arbeite nicht für die Klinik, Miss
Bohentin.«
    »Caroline. Aber Sie haben die Ärzte doch
erst dazu veranlaßt, sie aus der Versammlung zu entfernen.
Ich habe gesehen, wie Sie mit Doktor Armstrong gesprochen
haben.«
    McLaren musterte sie. Sie waren fast gleich groß. Sein
Haar war braun, hellbraun, genauso wie seine Augen. Er hatte ein
eindrucksvolles Gesicht, weder hübsch noch unansehnlich.
»Sind Sie Journalistin? Wie Prokop?«
    »Nein.« Als er ihr nicht zu glauben schien, sagte
sie: »Manchmal handle ich mit antiken Puppenstuben, wenn
überhaupt. Sind Sie Arzt?«
    »Anwalt.«
    »Als Sie durch Sandy Ochs’ Äußerungen
auf der Terrasse zu dem Schluß kamen, daß sie zu
instabil zum Eufeln war, haben Sie also das Institut
geschützt?«
    Er sagte ein wenig steif: »Ich habe kein Interesse
daran, das Institut zu schützen.«
    »Dann wollten Sie Sandy schützen? Haben Sie sie
vorher schon gekannt?«
    »Nein. Wozu all die Fragen, Miss…
Caroline?«
    »Ohne Grund. Reine Neugier. Ein Fehler aus meiner
Kindheit.« Sie konnte immer noch die Wut wegen Robbies
>Witz< in ihrem Innern spüren, kalt und hart.
»Was für ein Anwalt sind Sie?«
    Einen Moment lang antwortete er nicht. »Ich vertrete
Seuchenopfer.«
    Darauf war sie nicht vorbereitet gewesen, nicht zweimal
innerhalb von neunzig Sekunden. Was immer in ihrem Gesicht zu
sehen war, es ließ Joe McLarens Blick schärfer werden.
»Haben Sie die Seuche, Caroline?« fragte er.
    »Meine Tochter Catherine hat sie.« Sie
schüttelte den Kopf. »Und damit platze ich
normalerweise nicht einfach so heraus. Tut mir leid. Gute
Nacht.«
    Was war nur los mit ihr? Wütend auf sich selbst ging sie
davon, bevor McLaren etwas erwidern konnte, bevor Robbie Brekke
jemanden dazu bewegen konnte, die Verandatür aufzumachen und
ihn hereinzulassen. Und weshalb war sie so wütend? Weil es
weh tat, Catherine zu erwähnen? Ja.
    Nein. Sie war wütend auf sich, weil sie angefangen hatte,
persönliche Fragen auf McLaren abzufeuern, und am
Schluß selbst eine beantwortet hatte. So egozentrisch und
schäbig war ihre Wut. Herrgott, sie fand sich zum
Kotzen.
    In einer Woche würde sie andere Egos haben.
    Die anderen Egos mußten doch wohl besser sein.
Wenigstens ein paar davon. Oder auch nur eins. Ganz bestimmt.
    »Du bist eine Eskapistin. Ein Schwächling«,
sagte sie laut, in der Stille ihres Zimmers. Nach der frischen
Luft auf der Terrasse kam es ihr in dem Raum stickig vor.
Caroline stellte die Klimaanlage drei Stufen höher,
überlegte es sich anders, schaltete sie aus und kniete sich
ans Fenster. Es sollte eigentlich nicht aufgehen, aber bei der
Umgestaltung des Gebäudes waren hermetisch verschlossene
Fenster nicht inbegriffen gewesen. Als sie sich gegen das Bett
stemmte und mit der ganzen Kraft ihres Körpers drückte,
schwang das Fenster nach außen. Frische, kühle Luft
strömte herein.
    Es kam nur darauf an, wovor man floh. War ein
Gefängnisinsasse ein Schwächling? Oder ein politischer
Flüchtling aus einem Land wie Liberia, in dem es keine
Ordnung und keine Nahrung mehr gab? Oder jemand, der vor der
Mafia floh?
    Als sie auf dem Boden kniete, sah sie, daß die langen
Ärmel ihres blauen Lederkleids hochgerutscht waren und die
dicken, weißen, quer verlaufenden Wülste an ihren
Handgelenken freigelegt hatten. Waren die Ärmel
hochgerutscht, als sie gegen das Fenster gedrückt oder als
sie die Hände um das Terrassengeländer gelegt hatte?
Hatte Joe McLaren die Narben gesehen? Oder Robbie Brekke?
    Es war egal. Sie hätte die Narben natürlich
entfernen lassen können, aber sie hatte es nicht getan. Es
gab keinen triftigen Grund dafür; weder McLaren noch Brekke
bedeuteten ihr irgend etwas. Und in zwei Tagen würde sie
geeufelt sein, verbunden mit ihren »verloren geglaubten
Egos«, wie es in den Sensationsblättern immer
hieß. Dort klang es nach unglückseligen Liebhabern.
Einer ganzen Kompanie von unglückseligen Liebhabern.
    Also das war mal ein Gedanke.
     
    »Sie hängen an der Wange der Nacht, so
scheint’s,
    wie eine ganze Juwelensammlung an Armstrongs Ohr.
    Sie sprechen und sagen doch alle nichts
    so sterben wir denn

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