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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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hatte. Ein separater Club, so weit über den
Rackerern unter ihnen, daß die Reaktionen des Pöbels
nicht zählten. Fragte man seinen Hund etwa nach dessen
Meinung? Er überlegte, ob jemand wie Caroline sich je daran
erinnerte, eine Waschfrau gewesen zu sein. Der Gedanke, den er
mehr als einmal gehabt hatte, bereitete ihm ein
niederträchtiges Vergnügen, dessen er sich
streckenweise schämte.
    Joe hatte ein bißchen überrascht festgestellt,
daß ihm nur sehr wenige Erinnerungen kamen, und daß
diese flüchtig und entfernt waren: ein stürmischer Tag
auf See in seinem Leben als griechischer Fischer, wachgerufen von
hohen Wellen im Ontariosee; der Klang eines abendlichen Rufs zum
Gebet von einem Minarett in alter Zeit, der sein Echo im Schrei
einer kreisenden Möwe fand. Nach ein paar Tagen gestand er
sich seine große Erleichterung ein, daß die
Erinnerungen nicht stärker oder üppiger waren. Das
Eingeständnis der Erleichterung bedeutete, sich die
vorhergehende Furcht einzugestehen, daß er irgendwie ein
anderer werden könnte. Er blieb der alte. Seine MS-Symptome
waren abgeklungen, aber das hatten sie auch früher schon in
verschiedenen Remissionsphasen getan; es war noch zu früh,
um zu sehen, ob die Operation in diesem Punkt hielt, was sie
versprochen hatte. Und was den Rest betraf – viel Lärm
um Nichts, ein weiterer Hype, nicht so mies wie die
>Heilmittel< für die Seuche, gegen die er vor Gericht
kämpfte, aber auf der gleichen dBase gewachsen. Ein
großangelegtes Ablenkungsmanöver für die
emotional Bedürftigen, mit dem sich die Gierigen
bereicherten.
    Wie die Gaisten.
    Robin hatte in den letzten beiden Wochen noch dreimal
angerufen. Joe hatte sich geweigert, einen der Anrufe
entgegenzunehmen. Eine Erinnerung, die ihm immer noch
schonungslos klar vor Augen stand, war die Nacht, in der sie mit
ihrem blonden Liebhaber in eine Gaistenkommune durchgebrannt war. Die sind doch so korrupt wie nur was, hatte Joe auf sie
eingeschrien. Ein Deckmantel für Großunternehmen,
die eine kuschelig-krause öffentliche Rechtfertigung
dafür brauchen, daß sie die Umwelt mit
Industriechemikalien verschmutzen – ist dir das denn nicht
klar, Robin? Der Gaismus wird von Großunternehmen
finanziert, weil er der Zerstörung ganzer Ökologien
seinen religiösen Segen gibt, und zwar unter dem Vorwand,
daß die Biosphäre es schon ausgleichen wird –
bist du so dumm, daß du das nicht siehst?
    Purpurschwalben fliegen…
    »Wir müssen keinen Einkaufsbummel machen, wenn Sie
deswegen so dreinschauen«, sagte Caroline lächelnd zu
ihm. »Wir können diesen >Ausflug< auch
woandershin machen.«
    Die Britin rümpfte die Nase. »Und wohin zum
Beispiel? Mister Hasfried, was kann man in Rochester, New York,
denn sonst noch so >unternehmen sagen?«
    Hasfried, der Krankenpfleger, den alle außer Lady Alison
>Sonny< nannten, machte ein unglückliches Gesicht. Er
war ein großer Mann unbestimmbaren Alters, der sich langsam
bewegte und die trübsinnige Hängebackenmiene eines
Hundes hatte. Caroline warf Joe einen verschmitzten Blick zu, um
zu sehen, ob er mitbekommen hatte, daß Hasfried Angst vor
Lady Alison hatte. Joe ertappte sich dabei, daß er
widerwillig zurücklächelte. Normalerweise wechselte sie
solche Blicke mit Brekke; er, Joe, war nur ein Stellvertreter. Er
schaute weg.
    »Ich weiß nicht, was man sonst unternehmen kann,
Ma’am«, sagte Hasfried langsam. »Ich bin
eigentlich nicht aus Rochester.«
    »Was, zum Teufel, macht es schon aus, was wir
unternehmen?« fauchte Prokop. »Der Punkt ist doch,
daß wir einfach mal rausgehen; also laßt uns
rausgehen, verdammt noch mal.«
    »Dann machen wir einen Einkaufsbummel«, sagte
Caroline entschlossen. »Es gibt einen Porzellanladen auf
der East Avenue, Alison, aber es ist kein amerikanisches. Es ist
chinesisches Porzellan. Das würde ich mir wirklich gern
ansehen. Also, wenn sonst keiner Einwände
hat…«
    Joe hatte erwartet, daß sie ein Taxi nehmen würden
oder daß Hasfried einen Bodenwagen fahren würde. Statt
dessen führte Hasfried sie jedoch unglücklich zu einem
Luftwagen mit einem uniformierten Fahrer, der auf dem
Institutsgelände am Tor wartete. Caroline
begrüßte den Fahrer fröhlich; Joe erkannte,
daß es ihr Wagen sein mußte. Er ärgerte sich auf
schwer zu definierende Weise über sich selbst. Er hatte
geglaubt, den Kampf um die relative Bedeutung von Geld in seinem

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