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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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E-Feld an der Rückwand der untersten Schublade
deiner Frisierkommode verankert ist. Der Safe hat ein
E-Schloß, das auf eine andere Frequenz als das Ankerfeld
eingestellt ist. Drinnen sind eine schwere, verschnörkelte
goldene Halskette, zwei Ohrringe mit
Diamantanhängern…«
    Caroline holte scharf Luft. Sie hatte die Ohrringe nicht
einmal getragen, seit sie im Institut war.
    »…ein Serviettenring mit einem quadratischen
Smaragd, ein antikes Armband, noch zwei Paar Ohrringe und der
Ausdruck einer Dokumentendatei.«
    Caroline kniete sich hin und riß die unterste Schublade
ihrer Kommode auf. Sie schaltete das Wandfeld des Instituts mit
einem Eingabecode und das Feld des Safes mit ihrem Daumenabdruck
ab und öffnete das Safe so hastig, daß sich der Inhalt
auf den Teppich ergoß: Halskette, Ring, Armband, drei Paar
Ohrringe, ein einzelnes, zusammengefaltetes Blatt Papier.
    »Alles da, siehst du«, sagte Robbie
vergnügt.
    »Hast du den Brief gelesen? Hast du?«
    »Nein.«
    »Das Schloß ist auf meinen Daumenabdruck
programmiert – nur auf meinen. Wie bist du
reingekommen?«
    »Du bist sauer.«
    »Wie?«
    Er zuckte die Achseln. Seine Augen tanzten.
»Berufsgeheimnis.«
    »Und warum, in Gottes verfluchter verschmutzter Welt,
hast du’s mir erzählt?«
    »Um dir zu zeigen, wie sehr du dich in mir
täuschst.«
    »Wie sehr ich mich in dir täusche? Glaubst du, ich
ändere meine Meinung und geh mit dir ins Bett, weil ich
weiß, daß du mit der Idee geflirtet hast, meinen
Schmuck zu stehlen?«
    »Flirten ist nicht heiraten. Und ich erwarte nicht,
daß du mit mir ins Bett gehst. Sondern nur, daß du
meine Fähigkeiten würdigst. Das ist ein
Yale-Ulrich-E-Schloß.«
    »Herrgott, du gehst aus reiner Selbstgefälligkeit
Risiken ein!«
    »Das liegt daran, daß du mir schon so gut
gefällst.«
    Sie mußte lachen, weniger über die albernen Worte
als vielmehr über seinen Gesichtsausdruck. Wie ein
Honigkuchenpferd. Aber das Lachen kam ihr matt vor, matt und sehr
alt. Langsam sammelte sie ihren Schmuck ein und legte ihn wieder
in den Safe. Ihr kam in den Sinn, daß Colin die Szene
gefallen hätte. Robbie hatte zum Teil recht; sie war immun,
aber nicht auf eine Weise, die er – oder Colin –
verstanden hätte. Eigentlich fand sie Robbies riskante
Unverschämtheit gar nicht so schlimm. Es war einfach so,
daß eine zu hohe Dosis davon sie langweilte.
    Er setzte sich zu ihr auf den Teppich und lehnte sich an die
Bettkante. Sein langer Körper war völlig entspannt, so
zufrieden war er mit sich. »Von wem ist der Brief,
Callie?«
    »Nenn mich nicht so.«
    »Dann Caroline. Von wem ist der Brief? Von Ex-Mann
Nummer eins? Nummer zwei? Daddy?«
    »Von meiner Tochter.« Sie legte den Brief als
letztes in den Safe und schloß die Tür.
    Er berührte sie am Knie. »Der mit der
Seuche.«
    »Woher weißt du das?«
    »Von McLaren.«
    Caroline vermutete, daß er log. Joe war ein Mann, der
solche Sachen für sich behielt. Aber Robbies Ton war sanft,
und sie merkte, daß sie darauf reagierte, obwohl sie
wußte, daß die Sanftheit nur auf der Oberfläche
seiner momentanen unbekümmerten Tollkühnheit schwamm.
Brot auf dem Wasser.
    »Sie heißt Catherine, nicht wahr?« sagte
Robbie.
    »Ja. Catherine.«
    »Muß hart sein.« Er legte von hinten die
Arme um sie, und da sie diesmal kein sexuelles Drängen in
der Umarmung spürte, lehnte sie sich an ihn und legte den
Kopf an seine Schulter. Seine Brust war breit und warm an ihrem
Rücken. Aber sie konnte sein Grinsen in der Bewegung seines
Unterkiefers an ihrem Ohr fühlen, und gleich darauf begann
er mit dem Fuß einen lebhaften, kleinen, unruhigen Rhythmus
zu tippen.
    »Es war der letzte Brief, den sie schreiben
konnte«, sagte Caroline gegen ihren Willen. »Bevor
die Krankheit zu schlimm wurde.«
    »Tut mir leid«, sagte Robbie beinahe achtlos, und
sie merkte, daß er keine Ahnung hatte, was er dazu sagen
sollte und wie. Diese naßforsche Munterkeit war das Beste,
was ihm möglich war. Und dennoch war er bei Colin
einfühlsam und hilfsbereit gewesen, hatte sie im wahrsten
Sinne des Wortes gestützt, als ob er den Treibsand der
trügerischen Eltern-Kind-Beziehungen wirklich
verstünde, die periodisch auftretenden Schlammlöcher
der Hysterie, die unsichtbaren und sich verlagernden Trittstellen
unter der Oberfläche. Aber er hatte es nicht verstanden. Wie
auch? Er war selbst noch ein Kind.
    Aus einem Impuls heraus sagte sie: »Colin

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