Schädelrose
hat mich nicht
verführt; es war andersrum. Ich bin eines Nachts in sein
Bett gekrochen, als er schlief, und ich wollte kein >Nein<
gelten lassen. Ich war fünfzehn und ganz versessen darauf,
mir einzubilden, ich wär ‘ne echt heiße Braut.
Zumindest glaube ich, daß es so war. Die Erinnerung…
entgleitet mir.«
Diesmal hatte sie ihn nicht schockiert. Sein Fuß, der
auf dem Teppich vor ihr ausgestreckt war, tippte weiterhin seinen
munteren Rhythmus.
»Ich hab ihn geliebt«, sagte Caroline. »Oder
sowas ähnliches. Ich war fünfzehn.«
Hinter ihr nickte Robbie. Sie fühlte, wie sein Kinn ihren
Kopf streifte. Sie wußte, daß er keinen blassen
Schimmer hatte, wovon sie redete. Caroline lächelte, eine
immense Anstrengung, ein Lächeln, das sie gewaltsam von
einem Ort tief in ihrem Innern heraufzerrte, den sie nicht
besuchen wollte. Sie hob den Safe auf, drückte den Daumen
ins E-Schloß und nahm ein Paar Ohrringe heraus. Nicht die
mit den Diamanten. Diese waren aus Gold, schwere, gebogene
Halbmonde, die vom Ohrläppchen bis fast auf die Schulter
hängen sollten. Sie hielt Robbie die Ohrringe hin, eine
unbeholfene, scheue Gabe.
»Für dich.«
Er war immer noch hinter ihr. Sie rückte von seiner Brust
ab und drehte sich zu ihm um. »Ernsthaft. Ich möchte
sie dir schenken.«
Er machte keine Anstalten, die Ohrringe zu nehmen. Caroline
hielt einen an sein rechtes Ohr und tat spielerisch so, als
wollte sie ihn in sein nicht vorhandenes Loch stecken. Die
Männermode hatte sich geändert; Robbie war zu jung, um
die durchbohrten Ohren von Jeremy, von Charles zu haben. Der
goldene Halbmond schwang sanft gegen seinen Hals.
»Warum?« fragte Robbie.
»Einfach so.«
»Weil ich sie nicht gestohlen habe?«
Sie dachte darüber nach, ohne den Ohrring von seinem
Ohrläppchen wegzunehmen. Sein Hals fühlte sich warm an.
»Nein.«
»Warum dann?«
»Was kümmert’s dich? Sie sind
wertvoll.«
Er langte nach oben, nahm ihr den Ohrring ab und musterte ihn,
als er in seiner offenen Hand lag.
»Du denkst, daß Frauen teuren Schmuck nicht
einfach so verschenken«, sagte Caroline. »Du denkst,
da gibt’s einen Haken. Du denkst, ich bin verrückt.
Tja, sie tun’s nicht, und vielleicht gibt’s einen,
und möglicherweise bin ich’s. Nimm sie trotzdem,
Robbie.«
Robbie schaute immer noch auf das Gold in seiner Hand
hinunter. »Was ist der Haken? Was versuchst du zu
kaufen, Caroline?«
»Nichts.«
»Das glaub ich dir nicht.«
Sie setzte sich anders hin, lehnte sich mit dem Rücken an
die Frisierkommode, wandte ihm das Gesicht zu und streckte die
Beine aus. Ihre Zehen – seine in Lederstiefeln und ihre in
Stoff-Espadrillos, die sie bei der Gartenarbeit trug –
berührten sich beinahe. Sie merkte, daß ihr die Sache
allmählich Spaß machte. Er schaute so erstaunt drein.
Der verblüffte Bluffer.
»Also, was will ich dann?« sagte sie. »Sex
offenbar nicht; ich hab dich gerade abgewiesen. >Profit<
auch nicht; die Ohrringe gehören mir schon. Keine
Partnerschaft; ich hab mich beharrlich geweigert, mir die
Geschichten über deine tollen Aktivitäten als
Schmuggler in Liberia oder deine Gossenkarriere in Boston auch
nur anzuhören. Was könnte ich also wollen, hmmm?«
Er sagte leise: »Absolution?«
Caroline erstarrte zu Stein, dann hob sie mit einem
wütenden Ruck den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen.
»Ja? Und wofür wohl?«
»Woher soll ich das wissen? Für den Inzest mit
deinem Vater? Für zwei gescheiterte Ehen? Für die
Krankheit deiner Tochter?«
Sie hatte zu lange auf dem Boden gesessen. Ihre Beine waren
eingeschlafen; sie gaben unter ihr nach. Sie kam taumelnd auf die
Beine. Der Türknopf rutschte ihr unter der Hand weg, als sie
die Tür aufriß. »Raus.«
»Caroline…«
»Raus!«
Robbie klaubte den zweiten Ohrring vom Teppich auf und stand
auf, die beiden Ohrringe auf der ausgestreckten Hand. »Wie
hat deine Tochter die Krankheit bekommen?«
»Kein Mensch weiß, wie jemand die Krankheit
kriegt! Das ist eines der großen Rätsel an der ganzen
verdammten Sache – das weißt du!«
»Und du auch. Es kann unmöglich dein Fehler sein.
Du hast das nicht getan, Callie.«
Sie sah an seinem Gesicht, daß ihm der Name nur so
herausgerutscht war, aber das war ihr egal. Die Wut erfaßte
sie wie ein Sturmwind. »Was weißt du schon von
Fehlern? Du hast dir doch in deinem ganzen Leben noch nie
eingestanden, einen Fehler gemacht zu haben, du hast nie
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