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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Führerschein. Alles spießiger Mist. Alles durch jedes
Netz der Welt aufzuspüren. Robbie lächelte den Mann an,
der das Lächeln nicht erwiderte.
    Die Kontonummer, die Hatton ihm für seine
Institutsrechnungen gegeben hatte, kam nicht in Frage. Seine
eigene ebensowenig. Und diejenigen, die er manchmal mit
DeFillippo teilte, auch nicht. Er konnte nur eins tun,
nämlich bis zum nächsten Morgen warten, den Luftwagen
dann mieten, der Mietfirma eine falschen Reiseroute angeben und
sofort losfliegen. Für Hattons Gorillas würde die Zeit
zu knapp sein, um ihn zu verfolgen, selbst wenn sie rausfanden,
daß er nach Rawlins geflogen war. Was sie vermutlich
irgendwann rausfinden würden, wenn er seine eigenen Nummern
angab.
    Er zahlte bar für eine Schlafkabine auf dem Flughafen,
eine anonyme, hellgrüne Box mit weniger als einem Meter
Platz zwischen der Schiebetür und dem Kastenbett, einer
Kleiderstange mit zwei Bügeln, einem Wandregal aus Metall
und einer Synthschaum-Decke. Robbie hätte gedacht, daß
ihm seine Umgebung, die Farbe, ja sogar das Fehlen eines
Terminals nichts ausmachen würde. Aber in dieser Kabine zu
schlafen, deprimierte ihn mehr als jede Nacht, die er im nassen
Kiel eines Rennboots in Liberia gekauert hatte, mehr als jede
eiskalte Nacht auf den kiesigen Alkaliflächen mit Johnny Lee
Benson.
    Da war etwas, woran er sich nicht erinnern konnte. Er
versuchte vergeblich, die Erinnerung in der Dunkelheit der Kabine
heranzuzerren, während er sich vom Bauch auf den Rücken
und wieder auf den Bauch wälzte. Die Erinnerung wich nur
noch weiter zurück, ein kleiner, hin und her
schießender Fisch in kaltem, dunklem Wasser. Er hatte das
wirre Gefühl, daß er während der drei Stunden
unter der Schlafkappe im Flugzeug irgendwie näher
drangewesen war als jetzt, daß es wichtig war und daß
er sich nicht daran erinnern würde.
    Robbie klopfte das Kissen auf, das er in der absoluten
Schwärze der Kabine nicht sehen konnte. Ihm gefiel das
nicht. Sein Kopf war voller unsteter Schatten, voller kalter,
dunkler Gestalten. Das entsprach keineswegs dem, was sie
über die Auswirkungen des Eufelns gesagt hatten. Er
hätte sich deutlich in sauberer leuchtenden
Primärfarben erinnern müssen – so wie er sich an
Mallie Callahan erinnerte.
    Die Verwirrung und die Nackenschmerzen legten sich ein
bißchen. Robbie fand eine bequemere Position auf dem
Kissen. Mallie. Was sein armes, unwissendes Kinder-Ich wohl von
dem Flug gehalten hätte, mit dem Robbie gerade zwei Drittel
des Kontinents überquert hatte? Oder von der morgigen
mühelosen Reise mit dem Luftwagen über die Ebenen und
Berge hinweg, die Mallie und Johnny Lee damals ihr Geld, die
Freundschaft und schließlich das Leben gekostet hatten?
    Robbie runzelte die Stirn. Warum hatte er das gerade gedacht:
daß die Reise ihn Johnny Lees Freundschaft gekostet hatte?
Sie waren als Freunde gestorben, in der verborgenen Höhle in
der Wind River Range, an die er sich mit vollkommener,
hundertvierzigjähriger Klarheit erinnerte. Sie waren
gemeinsam gestorben, was damals natürlich Mallies Pech
gewesen, jetzt jedoch Robbies großes Glück war, da
Johnny Lee damals die Satteltaschen gehabt hatte. Sie waren an
den Verletzungen gestorben, die sie beim Angriff der armseligen
Bande abtrünniger Sioux am Sweetwater River erlitten hatten,
wiederum damals Pech, heute jedoch Glück. Kolossales
Glück. Denn bei ihrem Tod hatten sie Gold im Wert von 5000 $
und einen elfkarätigen Diamanten von Gott weiß welchem
Wert besessen, die sie der Landpost in der Nähe von Black
Butler mit dem Sprengstoff geraubt hatten, den sie mit dem
Erlös der von Mallie Callahan in St. Louis geklauten und von
Johnny Lee Bensons lachendem Genie zu Geld gemachten Ohrringe
erstanden hatten.
     
    Sie hatten bis weit nach Denver City gewartet, ehe sie die
Ohrringe verkauften. Johnny Lee hatte keine zwei Stunden
gebraucht, um samt Mallie aus St. Louis zu verschwinden. Mallie
wußte nicht, wie er das so schnell hingekriegt hatte. Er
wußte nur, daß ihm gerade eben noch hinter dem
Mietstall der Magen geknurrt hatte, während sich die
goldenen Ohrringe in seine Hand gruben, und daß sie im
nächsten Moment in der Eisenbahn saßen und dicke
Fleisch-Sandwiches aßen, die von einem Mann verkauft worden
waren, der so alt aussah, daß er sich kaum noch auf den
Beinen halten zu können schien, der jedoch vielleicht gerade
mal fünfundzwanzig war, wie

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