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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Johnny Lee meinte. Er sagte das,
während sie die Sandwiches mit Whiskey runterspülten,
und Mallie bekam, einen Lachanfall. Dann kriegte Johnny einen,
und am Schluß war es wieder mal so weit, daß sie
beide in dieser Nacht den Elefanten angucken gingen. Den
Elefanten gingen sie von da an immer angucken, jede Nacht, und
deshalb blieben Mallie nur flüchtige Eindrücke von
Denver City im Gedächtnis, Bilder wie Daguerrotypien, in
hektischen Farben erstarrt, wie sie keine Daguerrotypie je
aufgewiesen haben konnte:
    - das Foyer eines Hotels, überall grüne Portieren
und echtes Gold, und ein steifer, kalter Hotelsekretär mit
steinernem Gesicht, der zu Johnny Lee sagte: »Tut mir leid,
Sir, wir haben kein Zimmer für… Sie«, und
Johnny Lee hatte nach ihm geschlagen, und dann waren sie beide
draußen auf der Straße, nur daß es nicht die
Straße gewesen sein konnte, weil sie wieder den Elefanten
angucken gingen; der stand vor einer Wand mit rotem Papier
darauf, das sich unter seiner Hand weich anfühlte wie das
Kleid eines Mädchens, und es war logisch, daß es auf
der Straße keine Wand aus rotem Papier gegeben haben
konnte. Also hatten sie vielleicht doch noch irgendwo ein Zimmer
bekommen, ein Zimmer, in dem sie den Elefanten angucken gegangen
waren.
    - ein riesiges Gebäude, so hoch und breit und
schön, daß Mallie an die Reden von Prediger Ronson
über die Häuser des Himmels denken und den Blick
abwenden mußte. Das Windsor Hotel, sagte Johnny Lee mit
einer Stimme, die sich anhörte, als wäre ihm etwas
Scharfes im Hals steckengeblieben, und dann schien das scharfe
Etwas zu explodieren, denn gleich darauf ertönten
Schüsse, und Mallie und er waren sofort in Deckung gegangen,
hatten um eine Wand herumgeschaut, die irgendwoher gekommen war,
und die schönste Frau gesehen, die Mallie sich vorstellen
konnte; sie beugte sich mit einer Waffe in ihrer Hand aus einem
Fenster im zweiten Stock, wobei ihr die Brüste beinahe aus
dem roten Satinkleid flutschten, und schoß auf die
Isolatoren an den Telegrafenmasten auf der Straße.
    - ein anderes Zimmer irgendwo, nur daß dieses klein und
schmucklos war und stank, und Mallie schien tagelang mit dem
Elefanten dringewesen zu sein, während Johnny Lee >alles
arrangierte<. Mallie fand nie heraus, was >alles< war,
weil sie Denver City in der Nacht darauf – er glaubte,
daß es die Nacht darauf gewesen war – mit einem
weiteren Zug verlassen hatten; Johnny Lee war mürrisch und
wütend gewesen, aber Mallie hatte ihm keine Fragen gestellt.
Wie sich die Dinge entwickelt hatten, war es nicht ratsam, Johnny
Lee allzu viele Fragen zu stellen. Manchmal dachte Mallie vage,
daß es etwas gab, woran er sich erinnern sollte, etwas mit
dem Geld für die Ohrringe, aber dann gingen sie wieder den
Elefanten angucken, und Johnny Lee regelte ohnehin alles, so
daß es nichts ausmachte.
    Sie waren nach Cheyenne City gefahren, und von da mit der
Union Pacific nach Salt Wells. In der Eisenbahn ging ihnen der
Whiskey aus; Mallies erster Eindruck von Salt Wells blieb bei ihm
haften, klar und scharf und stark wie grelles Licht.
    Auf einem kahlen, hölzernen Bahnsteig befanden sich sechs
Personen, so hübsch angeordnet wie gefärbte Steine in
der Brosche eines Mädchens. Am einen Ende saß eine
Indianersquaw, die in eine schmutzige Decke gehüllt war und
einer weißen Frau für 25 Cents ihr Baby zeigte. Das
Gesicht der Squaw war so reglos und ausgedörrt wie ein
trockener Wasserlauf. Die Frau, die sich über sie beugte,
trug ein grünes, kariertes Kleid mit einer riesigen
Turnüre. Mallie, der noch nie eine Squaw oder eine so
große Turnüre gesehen hatte, starrte die beiden an,
bis Johnny Lee ihn anstieß und zum anderen Ende des
Bahnsteigs zeigte. Zwei Chinesen hockten wie geduldige Hunde auf
ihren Fersen. Ihre Haare waren so lang wie die einer Frau und zu
glänzenden schwarzen Zöpfen geflochten, bei deren
Anblick es Mallie auf einmal in den Fingern nach einer Schere
juckte. »Schau mal da«, sagte Johnny Lee, aber dann
hielt er den Mund, weil die beiden Gestalten in der Mitte des
Bahnsteigs Yankee-Soldaten mit staubigen, blauen Reisetaschen und
Gewehren waren, die so arg mitgenommen aussahen, wie Mallie es
bei Holz und Metall nie für möglich gehalten
hätte. Als Johnny Lee und er über den Bahnsteig gingen,
wehte der Wind den Staub an beiden Enden der Plattform auf,
umrahmte die sechs und schloß sie ein wie die

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