Schäfers Qualen
Gespräch. Ohne Rücksicht darauf zu nehmen, was Foidl schon wissen mochte, gab ihm Schäfer eine detaillierte Beschreibung der Verbrechen und teilte ihm die bisherigen Ergebnisse seiner Ermittlungen mit. Als er fertig war, saßen sie sich schweigend gegenüber, die paar Minuten, die Foidl brauchte, um das Gehörte zu verarbeiten und in den Kontext seines Wissens einzuflechten.
„Obernauer …“, begann er, als die Tür aufging und eine Frau in die Küche kam. Sie stellte einen vollgefüllten Einkaufskorb auf die Anrichte und ging zum Tisch, um Schäfer zu begrüßen. Er stand auf und gab ihr die Hand. Warum war er davon ausgegangen, dass der Leutnant Junggeselle war? Foidls Frau küsste ihren Mann auf die Wange und richtete ihm in einer offensichtlich rituellen Geste das zerzauste Haar, was Foidl mit einem leisen Murren hinnahm, das wohl so viel bedeuten sollte wie: Frau, das ist ein Kollege. Mit dem Hinweis, dass sie die beiden nicht lange stören würde, begann Frau Foidl die Einkäufe aus dem Korb zu räumen und im Kühlschrank beziehungsweise im Kasten unter der Anrichte zu verstauen. Ob er seinem Gast schon einen Kaffee oder ein Bier angeboten hätte, fragte sie ihren Mann, der Schäfer fragend ansah. Für einen Kaffee wäre er dankbar, worauf Frau Foidl die Espressomaschine einschaltete und einen Augenblick später zwei Tassen sowie ein Kännchen kalte Milch auf den Tisch stellte. Foidls verwunderten Blick sowie das gutmütige Lächeln seiner Frau deutete Schäfer dahingehend, dass der Koffeinkonsum des Leutnants einer gewissen Beschränkung unterlag, die seine Frau überwachte und anlässlich des Besuchs aufgehoben hatte, um ihn nicht vor einem Kollegen bloßzustellen. Nachdem Frau Foidl die Küche verlassen hatte, nahmen die beiden Männer einen Schluck aus ihren Kaffeetassen und warteten einen Moment mit der Fortsetzung ihres Gesprächs, als ob sich der Geist der Ehefrau erst verflüchtigen müsste.
„Ja, Obernauer …“, setzte Foidl fort, „damals hat sich wirklich niemand von uns gefragt, ob das vielleicht doch kein Selbstmord war. Ohne meine Kollegen oder mich verteidigen zu wollen: Aber es ist schwierig, was zu sehen, was einem gar nie in den Sinn kommt, verstehst du“, war Foidl mit einem Mal zum Du übergegangen, „ich habe in meinen vierzig Jahren bei der Gendarmerie nur vier Morde erlebt, davon sind drei im Affekt passiert und den vierten hat eine Frau begangen, die von ihrem Mann jahrelang geschlagen worden ist, Rattengift, die hat gar nicht lange versucht, das abzustreiten, aber so was wie jetzt, das erlebt man ja nie … zum Glück“, fügte Foidl hinzu, aber die Pause dazwischen war lang genug gewesen, um Schäfer begreifen zu lassen, dass der Leutnant sich den Fall wohl doch in die Zeit vor seiner Pensionierung gewünscht hätte.
„Ich bin froh um jede Hilfe, die ich kriegen kann … wenn Sie wollen, kann ich Sie jederzeit als außerordentlichen Berater …“
„Lass mal gut sein“, winkte Foidl ab, „wenn du was wissen willst, dann frag. Aber ich bin eigentlich ganz froh, dass ich nicht mehr dabei bin. Das jetzt hat mich halt neugierig gemacht. Und sag bitte Du.“
„Trotzdem … was ich dir anvertraut habe, dafür muss die dienstliche Verschwiegenheit gelten … Davon dürfen auch die Kollegen oben in Kitzbühel nichts wissen.“
Foidl nickte gedankenverloren und sah dann angestrengt aus dem Fenster in den Garten, wo seine Frau an den Blumen herumzupfte.
„Ich weiß nicht, warum mir das jetzt einfällt … das wird dir ohnehin nicht weiterhelfen … aber das mit der Heckler & Koch … neunundsiebzig hat es in der Aschau einen Banküberfall gegeben. Drei Täter und wahrscheinlich einer im Fluchtwagen … der Filialleiter ist angeschossen worden und das Projektil war ein neun mal neunzehn. Als wir ihn in der Klinik den Waffenkatalog durchschauen haben lassen, hat er unter anderem die P7 als mögliche Tatwaffe identifiziert.“
„Das heißt, die sind nie gefasst worden?“
„Ja. Der Fall ist an das Raubdezernat in Innsbruck gegeben worden … wie die vorgegangen sind, gestohlene Nummernschilder, dann noch das Fluchtauto zweimal gewechselt, das war viel zu professionell, als dass es welche von hier gewesen sein könnten.“
„Wo sind die Akten zu dem Fall?“, fragte Schäfer aufgeregt. Drei Fluchtautos, Nummernschilder gewechselt … die Dublettenmethode … von der RAF zur Perfektion gebracht.
„In Innsbruck“, antwortete Foidl überrascht und langte intuitiv
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