Schäfers Qualen
erspart bliebe, war Schäfer ebenso klar wie die Tatsache, dass dieser mehr wusste, als er Baumgartner gesagt hatte.
Ganze zwei Stunden hatte er im Terminal gesessen und auf seine Tasche gewartet. Wobei das Förderband, das sich irgendwo verheddert hatte, weit weniger an seinem wachsenden Ärger schuld war, als dass sich niemand zuständig fühlte, den Defekt zu beheben. Schäfers Chauffeur meinte während ihrer Fahrt in die römische Innenstadt achselzuckend, dass eben auch Maschinen eine Seele hätten – was seinen Fahrgast einigermaßen zufriedenzustellen schien. Als Schäfer sein Zimmer bezog, war es kurz vor drei. Und da er sich trotz 24-Stunden-Service um diese Uhrzeit nichts mehr zu essen bestellten wollte, stillte er seinen Hunger mit Erdnüssen, Chips und Schokodragees. Nachdem er seine Tasche ausgepackt und seine Sachen verstaut hatte, stand er rauchend am Balkon, sah den Verschubarbeitern am Bahnhof Termini zu und wunderte sich über den Frieden, den ihm dieser Ausflug jetzt schon verschaffte.
Eine kurze Auszeit vielleicht, einen Kaffee am Campo de’ Fiori, sich die Beine in den Bauch stehen, um im Eiltempo durch die gefährlich sauerstoffarme Sixtinische Kapelle getrieben zu werden, ein Einkaufsbummel in der Via Condotti, eine Münze in den Trevi-Brunnen … Schäfer hatte Lust auf Klischees, vielleicht würde er sich sogar von einer Rosen verkaufenden Zigeunertruppe die Brieftasche stehlen lassen.
Als er sein Intermezzo am Tag darauf mit ein paar Längen im Dachpool beginnen wollte, teilte man ihm höflich, aber bestimmt mit, dass dieser wegen Dreharbeiten drei Tage lang gesperrt wäre. Schäfer hielt Ausschau nach einem Mann, der Friedrichs Bild ähnlich sah, war aber offensichtlich nur von Aufbauarbeitern und Kabelträgern umgeben, die ihn schadenfroh angrinsten, während er im hoteleigenen Bademantel sehnsuchtsvoll am Rand des türkisen Bilderbuchpools stand. Verärgert ging er auf sein Zimmer zurück und ließ sich ein Frühstück bringen; setzte sich damit auf den Balkon, dessen Ausblick auf den Frachtenbahnhof bei Tag weit weniger poetisch war als in der Nacht. Schäfer spuckte die Kerne der köstlichen Trauben, die Teil seines Frühstücks waren, auf die Straße hinab und dachte nach.
Gesetzt den Fall, er könnte das Grundstück umgraben: Wenn er nichts fand, könnte er sich selbst eingraben und lange Gras darüber wachsen lassen. Vor allem brauchte er zuvor einen Treffer, der Kamp und den Staatsanwalt überzeugte. Er brauchte endlich etwas, womit er dem Täter voraus war, um ihn herauszulocken. Und wenn der seinen Rachefeldzug abgeschlossen hatte? Was war mit dem Mann und der Frau neben Friedrich: Angenommen, sie hätten die Morde begangen – dann konnten sie genauso gut schon längst irgendwo im Ausland sein, wo er sie nie zu fassen kriegen würde. Irgendwas an ihren Gesichtern … Schäfer ging in sein Zimmer und nahm seinen Laptop mit auf den Balkon. Er fuhr ihn hoch und sah sich das Bild der drei an. Vergrößerte es, bis die Gesichter nur mehr Pixel waren. An wen erinnerten ihn die beiden? Er kam nicht darauf. Fast zehn Uhr, er sollte Friedrich anrufen. In dem Moment, als Schäfer sein Telefon in die Hand nahm, rief ihn Foidl an.
„Buongiorno, Leutnant … Ja … Weiß ich noch nicht, bis jetzt eher enttäuschend … Stimmt, man darf sich nicht zu viel erwarten … Warum rufst du an … Und das Bild, auf dem Friedrich mit der jungen Frau und dem Mann in der Lederjacke drauf ist … Kennst du die beiden oder kommen sie dir zumindest bekannt vor? … Wer sagt das? … Ach so, ich wusste nicht, dass deine Frau da ist, lass sie schön grüßen … Also, wie kommt sie darauf, dass die Frau schwanger ist? … Ein Gefühl … Na gut, danke jedenfalls … Ja … Servus.“
Schäfer betrachtete das Bild erneut. Wie wollte Foidls Frau wissen, dass die Frau auf dem Foto schwanger war? Sie lächelte, etwas unsicher, aber glücklich. Der Mann neben ihr hatte einen Arm um ihre Hüfte gelegt, auf ihrem Bauch lag seine Hand, auf die sie beide Hände gelegt hatte. Wenn man wusste, dass sie schwanger war, würde man es sofort sehen, dachte Schäfer und wählte Friedrichs Nummer.
„Sind Sie schon hier?“, rief dieser ins Telefon, um sich im Trubel, der offenbar um ihn herrschte, Gehör zu verschaffen.
„Im Hotel … wo man zahlenden Gästen die Benutzung des Pools verbietet. Da stecken doch sicher wieder die Deutschen dahinter.“
„Hahaha“, lachte Friedrich aus dem Telefon, das Schäfer
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