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Schäfers Qualen

Schäfers Qualen

Titel: Schäfers Qualen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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mittlerweile in sicherem Abstand von seinem Ohr hielt. „Wer mehr zahlt, schafft an. Das müssten Sie als Kitzbüheler doch ganz gut wissen!“
    „Ja ja, deswegen waschen die Deutschen jetzt auch wieder die Teller ab, von denen die Russen essen“, frotzelte Schäfer zurück.
    „Und für deren sozialistisches Hirngewichse haben wir einmal gekämpft!“, lachte Friedrich lauthals heraus.
    „Na ja, aber wenigstens Sie hat die Revolution noch nicht ganz gefressen, wie ich so mitkriege bei Ihren Orgien da oben.“
    „Na na, Herr Major, Inszenierung, Schauspiel, Reklame … am Abend gehen diese ganzen Statistenderwische hier völlig fertig und schlecht bezahlt nach Hause, schreiben heimwehkranke Briefe an ihre Familien im Süden und weinen leise in ihre Polster …“
    „Sie zynischer Imperialistenbonze, Sie hätte man früher in die Luft gesprengt“, gab sich Schäfer entrüstet, fragte sich aber langsam ehrlich, wie durchgedreht der ehemalige RAF-Mann nun wirklich war.
    „Da warte ich doch drauf, Herr Major“, hustete Friedrich ins Telefon, „bleiben Sie bitte kurz dran.“
    Schäfer hörte, wie Friedrich jemandem in einem furiosen Deutsch-Italienisch-Englisch-Mix auftrug, der Hauptdarstellerin verdammt noch mal ein Kleid anzuziehen, durch das die Kamera das Sonnenlicht atmen könne, und überlegte, ob er nicht doch einen Sprung am Set vorbeischauen sollte.
    „Major! Sind Sie noch dran?“, bellte Friedrich ins Telefon.
    „Ja … Sagen Sie: wann haben Sie denn heute mal Zeit für mich?“
    „Zeit, Zeit, Zeit“, deklamierte Friedrich, als hielte er einen Totenschädel vor sich. Und Schäfer stellte sich schon auf die nächste Runde einer zwecklosen Dialogschleife ein, als Friedrich zu seiner Überraschung sagte: „Treffen wir uns Punkt acht in der Lobby. Dann gehen wir was Anständiges essen, wir beide.“
    „Ich bin da.“
    Er setzte sich aufs Bett und sah den Rom-Führer durch, den er bei seiner Ankunft auf dem Schreibtisch vorgefunden hatte. Das Prahlen mit einer Unmenge Sehenswürdigkeiten, die Abgenütztheit der Namen, die in der billigsten Quizshow niemanden mehr fordern konnten, die Millionen an Touristen, die jeden Winkel der Bauwerke längst totfotografiert hatten, die absurden Geheimtipps, mit denen die Stadtwerber das Touristenkapital vermutlich wegen lokaler Überforderung zeitweise umverteilen wollten – Schäfer warf das bunte Heftchen angewidert auf den Boden, griff sich die Fernbedienung und schaltete sich durchs Fernsehprogramm. Bei einer italienischen Spieleshow blieb er hängen. Warum sich die Moderatorin im Verlauf der Sendung ein Kleidungsstück nach dem anderen auszog, bis sie nur mehr in Spitzenunterwäsche dastand, deren Erzeuger groß eingeblendet wurde, blieb Schäfer ebenso verschlossen wie die Kriterien, nach denen Kandidaten ausschieden, neue aus dem Publikum hinzugeholt wurden oder hinter einer Kulisse hervorsprinteten, die bei einem besonders wahnwitzigen Teilnehmer gefährlich wackelte, obgleich sie die allseits bekannte Vorderfront des Kolosseums darstellte. Er fühlte seinen Kopf angenehm leer werden, fand nach dem Ende der Show gleich eine neue, die die vorherige an Absurdität zu überbieten versuchte und Schäfer nach einer halben Stunde in einen friedlichen Schlaf gleiten ließ. Als er erwachte, glaubte er sich für kurze Zeit in seinem Hotelbett in Kitzbühel. Er richtete sich auf und sah den noch immer laufenden Fernseher, der seinen Irrtum gleich korrigierte. Gähnend stand er auf, schaute sich im Zimmer um und ging ins Bad, um zu duschen. Er fühlte sich gut, als er im Bademantel auf dem Balkon stand und eine Zigarette rauchte. Eine Möwe landete auf einem Strommasten vor ihm und schaute erwartungsvoll in seine Richtung. Schäfer, der seinen Vorrat an Snacks erschöpft wusste, hob bedauernd die Schultern, worauf der Vogel das Weite suchte. Er ging ins Zimmer zurück und sah auf seinem Telefon nach der Uhrzeit. In zwei Stunden sollte er in der Lobby sein. Herrlich, dachte er, warf sich aufs Bett und griff zur Fernbedienung.

32
    Kurz nach acht hatten die beiden das Hotel verlassen und waren zu Fuß in Richtung Spanische Treppe gegangen, wo Friedrich Schäfer in ein Fischrestaurant einladen wollte, das seinem Ermessen nach in Rom konkurrenzlos war. Die meiste Zeit gingen sie hintereinander; so war die Gefahr geringer, von einem Taxi angefahren zu werden. Doch auch wenn sie in verkehrsberuhigten Gassen Seite an Seite gingen, vermieden sie es, über die Vorfälle in

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