Schäfers Qualen
ein Verräter.“
„Woher haben Sie das überhaupt gewusst? Dass Radner tatsächlich jemanden entführt hat, dass er mit dem Lösegeld davongekommen ist und das alles?“
Friedrich sah ihn mit einem Blick an, der zumindest einen Rest von wiedererwachtem Stolz erkennen ließ.
„Schäfer, wir waren eine Armee. Wir haben Informanten bei der Polizei gehabt, haben den Grenzschutz infiltriert … Was glauben Sie, warum wir so lange durchgehalten haben?“
„Natürlich … und die Frau, die auf dem Bild, könnte das Radners Geliebte oder sogar Frau gewesen sein?“
„Sie haben mir das Bild noch immer nicht gezeigt.“
„Macht es Ihnen was aus, wenn wir ins Hotel zurückgehen?“ Schäfer wollte nun auch in diesem Punkt Gewissheit haben.
„Aber jetzt bitte mit dem Taxi.“
Sie schauten sich das betreffende Foto und einige andere auf Schäfers Computer an. Friedrich bestätigte ihm zwar, dass er Radner einige Male zusammen mit der Frau getroffen hatte, konnte sich aber an keinen Namen erinnern. Hanna vielleicht, oder auch Anna, irgendwas mit A auf jeden Fall. Schäfer machte sich eine Notiz in seinem Block. Er konnte nicht sagen, warum, doch irgendwie beschlich ihn der Verdacht, dass Friedrich nicht ganz ehrlich zu ihm war. So wie die drei auf dem Foto aussahen, waren sie mehr als flüchtige Bekannte. Und da war ihm einfach der Name entfallen? Er fragte Friedrich, ob er noch Lust auf einen Schluck aus der Minibar hätte.
„Wann waren Sie zum letzten Mal in Kitzbühel?“
Friedrich nippte an seinem Gin Tonic und ruckte auf dem Stuhl hin und her.
„Zweimal noch … später … zum Bergwandern … die Kaiserhütte besuchen … der alten Zeiten wegen.“
„Hatten Sie mit irgendjemandem Kontakt?“
„Oh, Schäfer … jetzt geht Ihnen der Polizist durch … Nein … um ehrlich zu sein: Ich bin ein paar Bekannten über den Weg gelaufen, aber die haben mich nicht einmal erkannt, oder wollten es nicht … c’est la vie.“
Bis drei Uhr früh saßen sie auf dem Balkon. Dann verabschiedete sich Friedrich mit dem Hinweis, dass er am nächsten Tag wieder dem Kapitalismus frönen müsse. Schäfer drückte ihm die Hand, bedankte sich und ersuchte ihn, sich zu melden, falls er irgendwann in Österreich wäre oder etwas von dort brauche.
„Ja, vielleicht fahre ich wirklich wieder einmal hin“, sagte Friedrich und schwankte aus dem Zimmer.
Schäfer verschloss die Tür hinter ihm, räumte die leeren Flaschen und Gläser vom Balkon, zog sich aus und stellte sich unter die Dusche. Er wollte sich schon ins Bett legen, entschied sich dann aber doch, seine E-Mails abzurufen, zumal sein Image in Kitzbühel keine weitere Verschlechterung mehr ertrug. Baumgartner hatte ihm geschrieben: Obernauer sei exhumiert worden und jetzt in Innsbruck. Die Spurensicherung habe am Parkplatz neben dem Friedhof Spuren von Senns Blut gefunden. Der Täter habe wahrscheinlich versucht, es wegzuwaschen, an der Gehsteigkante aber ein paar Tropfen übersehen. Angesichts von Senns Verletzung sei es also durchaus möglich, dass er gestoßen worden und dabei auf den Hinterkopf gefallen sei. Was den Platz betraf, an dem Obernauer seinen Pool hatte graben wollen: der liege mitten im Garten der Anwaltsvilla, das hätten mehrere Personen bestätigt. Dann war da noch ein Mail von Kerstin Unseld. Was denn das gewesen sei? Nur mal so, hopp hopp, ins Bett und dann tschüss? Eigentlich schon, dachte er, schrieb ihr aber zurück, dass es ihm leidtue, dass er sich nicht gemeldet habe. Er sei in Rom, warum, könne er ihr noch nicht sagen; aber sobald er zurück sei, werde er sich melden.
Er fuhr den Computer herunter und legte sich ins Bett. Schon halb im Schlaf ging ihm noch einmal der Abend mit Friedrich durch den Kopf. Es passte zusammen. Radner, Steiner, Krassnitzer und Gasser entführen von Habermann, ermorden Radner … einer von ihnen fliegt nach La Paz … Schäfer schreckte hoch: Bolivien. Er sprang auf, griff sich sein Telefon und wählte Baumgartners Nummer.
„Ja, ich bin’s, Schäfer. Wer hat heute Dienst? … Was ist denn mit Kern los? … Na gut, hat er sich verdient … Hören Sie: Nehmen Sie sich bitte sofort zwei kräftige Kollegen und fahren Sie zu Kranz. Holen Sie ihn aus seinem Haus und nehmen Sie ihn in Schutzhaft. Und seien Sie vorsichtig … Das kann ich Ihnen jetzt nicht alles erklären, es ist aber wahrscheinlich, dass er als Nächster an der Reihe ist … Machen Sie bitte einfach, was ich Ihnen sage … Ja, natürlich übernehme
Weitere Kostenlose Bücher