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Schäfers Qualen

Schäfers Qualen

Titel: Schäfers Qualen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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ausgegangen, dass Senn das vierte Opfer des Monsters von Kitzbühel war. Was auch sonst? Schäfer hatte die Presse in einer Weise vernachlässigt, die sich schon in der morgigen Ausgabe rächen würde – da machte er sich gar keine falschen Hoffnungen. Aber er konnte doch auch nicht plötzlich alles aus der Hand geben. Der Fall würde versanden, Kranz’ Angehörige würden Schäfer fertigmachen. Das Geld war ihm egal, aber seine Familie, auch die würde man an den Pranger stellen, davon konnte er ausgehen. Verzweiflung. Kern. Schäfer nahm sein Telefon und rief den Inspektor an.
    „Hallo Kern, Schäfer hier … Ja, ich weiß … Sag, Kern, stehst du noch hinter mir? … Das verstehe ich … Ja, damit wäre mir schon geholfen … Na gut, dann bis später … Danke.“
    Kern hatte sich bereit erklärt, ihn weiterhin auf dem Laufenden zu halten, sofern ihm das in seiner Position möglich war. Was er ihm jetzt schon sagen konnte: Schäfer würde noch am selben Tag aufs Revier zitiert werden, um sein Verhalten zu erklären und alle bisherigen Ermittlungsergebnisse offenzulegen. Ein internes Verfahren war schon im Laufen, dafür hatte Kranz’ Anwalt gesorgt. Schäfer fuhr seinen Computer hoch, startete das Mailprogramm und übermittelte zwei Berichte an Bruckner.
    Müde zog er sich aus und ging ins Bad, um eine Dusche zu nehmen. Mit einem Handtuch um die Hüfte stand er im Zimmer und wusste nicht weiter. Er legte sich aufs Bett. Die Augen zu schließen, erschien ihm die einzige Möglichkeit, die ihm geblieben war.

35
    Wie schnell man sich nichtsnutzig und minderwertig fühlt, dachte Schäfer, als er nach dem Aufwachen an die Zimmerdecke starrte. Wo hatte er den entscheidenden Fehler gemacht? Erst am Tag zuvor, als er den südamerikanischen Fruchtbarkeitsgott sofort mit Radners Verschwinden in Verbindung gebracht hatte? Indem er sich auf Friedrich konzentriert hatte, ohne dessen Glaubwürdigkeit auch nur einmal zu hinterfragen? Eine Falle. Es konnte auch eine Falle sein. Die Hinweise, die so gestreut waren, dass sie sich Schäfer förmlich aufdrängten. Krassnitzer: betäubt mit der Hellabrunner Mischung, weil er am Tod des Münchner Tierpflegers Radner mitschuldig war. Steiner: gekreuzigt. Wie Petrus, der den Visionär Jesus verleugnet hatte? Wie Andreas – was sich mit Radners Vornamen traf. Oder wie Judas, der sich erhängte, nachdem er den größten aller Idealisten für Geld verraten hatte. Aber wenn er mir das alles vor Augen führt, warum lässt mich das Schwein dann jetzt so abstürzen? Aber Schäfer: Hast du dich etwa auf einen Mörder als Ermittlungspartner verlassen? Bist du wie ein reinrassiger, aber etwas dümmlicher Jagdhund durchs Gestrüpp gerannt, die Nase am Boden und begeistert über jede Spur, die dir unterkam, während weit über dir der längst entschwundene Beutevogel kreiste und dich verspottete? Die Wahrheit ist irgendwo da draußen, sagte er sich mit einem bekümmerten Lächeln und stand träge auf, um nicht noch weiter in sein Bett zu sinken. Er nahm sein Telefon und sah nach, ob er einen Anruf versäumt hatte. Nichts. Warten dauert immer lang, erinnerte sich Schäfer an den Spruch einer alten Frau in einem Supermarkt, die vor ihm in der Schlange gestanden hatte und so das Gezeter eines ungeduldigen Mannes kommentiert hatte. Das habe ich nicht nötig, sagte er laut und wählte Baumgartners Nummer.
    „Ja … Schäfer hier … Ich weiß … Sagen Sie, was ist eigentlich bei Obernauers Obduktion herausgekommen … Ja … Das Projektil vom Banküberfall hab ich hier … Gut, bring ich mit, wenn ich hinunterkomme … Und sonst? … Das versteh ich … Nein, kein Problem, ich kenne die Vorschriften … Bei Kranz? … Na gut, dann bin ich gespannt … Bis bald.“
    Sie hatten Kranz’ Wohnung durchsucht und waren auf ein paar interessante Dinge gestoßen, mehr durfte sie ihm dazu nicht sagen. Schäfer überlegte, ob er einfach zum Revier gehen sollte. Hier begann ihm die Decke auf den Kopf zu fallen. Er zog sich an, steckte das Plastiksäckchen mit dem Projektil aus dem Banküberfall ein und verließ das Zimmer. Vor dem Hotel nahm er an einem Terrassentisch Platz und bestellte einen Tee – auch wenn er mittlerweile das Gefühl hatte, dass sich dieser Ort nüchtern noch schwerer aushalten ließ. Er wickelte den Teebeutel um den Löffel und drückte die verbliebene Flüssigkeit in die Tasse, als sein Telefon läutete. Bruckner. Sie erwarteten ihn am Revier. Ja, in einer Viertelstunde würde er dort

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