Schäfers Qualen
Menschen umgebracht hat. Möchten Sie das? … Eben … Natürlich weiß ich, was ich tue, für wen halten Sie mich denn … Ja … Noch was: Falls Kamp nach mir fragt, sagen Sie ihm, ich hab mich verkühlt und bin erschöpft oder irgendwas und ich hänge noch ein paar Tage an … Irgendwas wollte ich Sie noch fragen, aber das fällt mir jetzt nicht ein. Ich melde mich einfach später noch mal. Wiedersehen.“
Schäfer legte sein Telefon auf den Terrassentisch vor dem Hotel und suchte in seinen Jacketttaschen nach der Karte von Kerstin Unseld. So wenig er sie kannte: Sie war im Moment sein einziger Kontakt zur Presse, bei dem er sich am ehesten darauf verlassen konnte, dass sie ihm mehr Glauben schenkte als dem Staatsanwalt oder Kamp. Außerdem würde sie bald vor der Wahl stehen, es entweder den anderen gleichzutun und die Nachricht „Monster von Kitz gefasst“ höchstens in einem anderen sprachlichen Gewand zu bringen oder auf eine Exklusivstory zu setzen, die ihr der suspendierte Major Schäfer als Gegenleistung für eine von ihm konzipierte Titelseite anböte. Wenn sie ihn nicht ohnehin schon gänzlich abgeschrieben hatte, weil er … „Hallo, hier spricht die Polizei, lassen Sie alles fallen und legen Sie sich hin … Nein, wo denkst du hin, solche Gedanken kämen mir in der Dienstzeit nie in den Sinn. Womit ich schon beim Thema bin: Man hat mich für ein paar Tage beurlaubt … Ja, genau deswegen … Glück? Na ja … Hör zu: Du gehst doch jetzt dann bestimmt zur Pressekonferenz … Gut, da werden sie euch Kranz als Einzeltäter präsentieren, der seine Schuld nicht mehr ertragen konnte und blablabla. Nur, bevor du dich ans Schreiben machst, würde ich dich gern kurz treffen … Sagen wir mal exklusives Insidermaterial dazu … Nein, das ist kein Vorwand, hab ich das nötig? … Na, vielen Dank … Lieber wäre es mir woanders … Ich möchte nicht unbedingt mit dir gesehen werden … Na, weil du eine Deutsche bist und das meinem Image schaden könnte … Scherz … In St. Johann … Ja, gern … Um neun passt mir gut … Ciao.“
Leise vor sich hin summend riss er das Zuckerpäckchen auf und leerte es in den Tee, den ihm der Kellner während seines Gesprächs hingestellt hatte. Er nahm den Teelöffel und rührte lang in der Tasse um. Das würde er sich nicht bieten lassen. Nicht von Reinisch. Nicht von Kamp. Und schon gar nicht von dem, der ihm durch die Lappen ginge, wenn er sich jetzt tatsächlich heraushielte. Aufpassen musste er auf jeden Fall; wen er einweihte; wie viel er wem anvertraute; zu wenig und sie spielten nicht mit; zu viel und alles würde auffliegen. Einen kurzen Moment überlegte er, ob er mit seinem Plan nicht zu weit ging. Ob er nicht etwas übersehen hatte. Er nahm eine Handvoll Münzen aus der Hosentasche, legte sie vor sich auf den Tisch und begann sie in verschiedene Konstellationen zueinander zu stellen. Nach ein paar Minuten wischte er die Münzen vom Tisch und steckte sie wieder ein. Es war jedes Mal das Gleiche: War Bergmann da, funktionierte das Spiel vorzüglich, schoben sich die Münzen wie magisch an die richtige Stelle. Doch in dessen Abwesenheit: nichts.
Nun, er musste den Dingen ohnehin ihren Lauf lassen. Wer konnte ihm schon garantieren, dass sich sein Hauptverdächtiger so verhalten würde, wie von Schäfer vorgesehen? Vielleicht würde er auch gar nichts tun – jetzt, wo er von offizieller Seite nichts mehr zu befürchten hatte. Doch das glaubte Schäfer eigentlich nicht. Es ging nicht nur um Rache; es ging um die Aufdeckung eines Verbrechens, um die Korrektur der Geschichte. Er sah auf die Uhr. Zwei Stunden freie Zeit. Könnte er gut vor dem Hotel absitzen und Leute zählen. Da fiel ihm wieder ein, was er Bergmann bitten wollte: das Bild von der Frau neben Radner durch den Zentralrechner laufen zu lassen. Schäfer hätte auch die Möglichkeit gehabt, es an alle Tiroler Polizeidienststellen zu senden, doch das erschien ihm angesichts seiner momentanen Lage als zu prekär. Was war eigentlich mit Danninger? Schäfer winkte dem Kellner, bezahlte und lief die Treppen zu seinem Zimmer hinauf. Er fuhr seinen Computer hoch, öffnete den Ordner mit den Fotos von Hinterholzers Album und startete das Mailprogramm. Nur, dass er keine E-Mail-Adresse von Danninger hatte. Er nahm sein Telefon und rief den Pfarrer an.
„Hallo … Ja, ich bin’s … Sag: Hast du eigentlich eine E-Mail-Adresse … Ja … Nein, ich gebe sie direkt in den Computer ein … Ich schick dir jetzt das
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