Schängels Schatten
nichts. Wir wissen. Vielleicht hilft es Ihnen auf die Sprünge, wenn ich Ihnen verrate, dass an der Tür Ihre Fingerabdrücke waren.«
»Meine Fingerabdrücke?«
»Falls Sie es vergessen haben, wir haben sie bei der ersten Befragung genommen.«
»Ich bin ja in dem Haus gewesen. Ich habe Carola schließlich gefunden …«
»Ich rede nicht von der Türklinke, Herr Engel. Ich rede von dem Siegel, das von uns angebracht wurde. Und zwar nach dem Mord. Am Ende der Untersuchungen. Wie es üblich ist. Es würde mich interessieren, wie Ihre Fingerabdrücke da draufkommen.«
»Ich weiß es nicht. Wenn Sie keinen Zeugen haben, der mich gesehen hat …«
»… dann bleibt uns nichts anderes übrig, als zu glauben, dass Sie einfach so noch mal zum Burgweg gefahren sind und das Siegel angefasst haben. Kurz bevor es von jemand anderem zerstört wurde. Ganz zufällig. Raus mit der Sprache – warum haben Sie das getan?«
»Weiß ich nicht.«
»Und warum sind Sie überhaupt noch in Koblenz? Wenn ich mich recht erinnere, wollten Sie doch nach Hause fahren.«
»Ich kann hingehen, wo ich will, oder?«
»Aber nicht in ein polizeilich versiegeltes Haus. Übrigens – abgesehen von den Fingerabdrücken: Wir haben den Schlüssel nicht gefunden, den Ihnen Frau Zerwas nach Ihrer eigenen Aussage ausgehändigt hat.«
Mike spürte, wie ihm der Hals eintrocknete.
»Was haben Sie in dem Haus gesucht, Herr Engel?«
In Mikes Kopf überschlugen sich die Gedanken. »Was haben Sie denn bisher herausgefunden?«, fragte er.
Nickenichs Gesichtsausdruck verwandelte sich von streng in belustigt. »Das darf ja wohl nicht wahr sein! Muss ich Ihnen erst die Regeln erklären? Wir stellen hier die Fragen.«
»Mir liegt aber viel daran, es zu wissen. Es geht mir darum, dass Carolas Mörder gefunden wird. Mich hat die ganze Sache ziemlich mitgenommen, und …«
»Ach nein«, sagte der Kommissar. »Herrn Engel hat das alles mitgenommen! Das tut mir jetzt aber Leid.«
Plötzlich schlug Nickenich auf den Tisch, dass es knallte. »Hören Sie auf, mir einen solchen Mist zu erzählen! Ihretwegen habe ich die halbe Nacht hier gesessen. Das kann ich überhaupt nicht leiden, verstehen Sie? Ich mag es nicht, wenn ich keinen Schlaf kriege. Da bin ich ganz eigen. Also, höre ich jetzt was oder nicht?« Seine Augen funkelten, und Mike war klar, dass die Geduld des Kommissars endgültig erschöpft war.
»Es geht um die Geschichte, an der Carola gearbeitet hat«, begann Mike zaghaft. Er versuchte, in der Miene des Kommissars zu lesen. Doch der sah ihn nur verständnislos an.
»Und?«
»Carola hat sich mit der Geschichte des Kaiserdenkmals auf dem Deutschen Eck beschäftigt.«
Wieder Pause. Nickenichs Züge lockerten sich. Irrte sich Mike, oder wurde der Ausdruck etwas spöttisch?
»Sie hat irgendeine Information gefunden, die darauf hindeutet, was aus dem Denkmal geworden ist. Ich meine, aus dem Original, das die Amerikaner …«
»… am Ende des Zweiten Weltkriegs vom Sockel geschossen haben«, vollendete Nickenich den Satz.
»Ja. Genau. Carola hatte da so eine Theorie. Und ich wollte einfach wissen, was sie herausgefunden hat.«
»Das darf doch nicht wahr sein.«
»Sie wollten die Wahrheit hören.«
Nickenich sah Mike streng an. »Wegen so einem Mist brechen Sie ein polizeiliches Siegel?«
»Wieso? Das ist doch was Außergewöhnliches …« Mike verstummte, weil er zugegeben hatte, dass er in das Haus eingedrungen war.
»Was Außergewöhnliches?«, rief der Kommissar, und seine Stimme wurde noch lauter. »Das soll was Außergewöhnliches sein? Seit Jahren steht die Presse Kopf wegen diesem Scheißdenkmal. Was war das für ein Aufstand, als sie das Ding endlich wieder auf dem Sockel hatten! Was standen da für Storys in der Zeitung! Glauben Sie, irgendeiner in Koblenz will da noch was drüber lesen?«
»Aber wenn es doch um das echte …«
»Sie hätten mich fragen sollen, wenn Sie das wirklich interessiert! Natürlich haben wir die Unterlagen von Frau Zerwas gesichtet! Wir haben auch die Dateien in ihrem Computer geprüft. Und natürlich haben wir sofort kapiert, woran sie gearbeitet hat.«
»Glauben Sie, dass diese Geschichte etwas mit dem Mord zu tun hat?«
»Habe ich mich undeutlich ausgedrückt? Natürlich nicht. Oder glauben Sie, irgendwo lebt ein großer Unbekannter, der das Denkmal im Garten stehen hat und nicht will, dass die Presse dahinter kommt? So ein Quatsch.«
»Wenn Ihnen an den Unterlagen und den Dateien nichts liegt, dann
Weitere Kostenlose Bücher