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Schängels Schatten

Titel: Schängels Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Erst an einer Stelle im Wald, von der sie glaubte, es sei dort sehr einsam. Zum Glück für ihn waren aber die Pfadfinder da gewesen. Sie hatten an diesem Tag tatsächlich eine sehr gute Tat vollbracht.
    Dann in Oberwerth, wo ihm der Trick mit der Tasche das Leben gerettet hatte. Und das Gewitter.
    Mike lief es eiskalt den Rücken hinunter. Er wandte sich um. Der Archivar kam, auf dem Arm einen Stapel Zeitungen.
    »Dann mal viel Spaß«, sagte er und wuchtete das Papier auf einen der Tische. »Leider haben wir nur noch zwanzig Minuten geöffnet. Wenn Sie uns allerdings helfen, an die Frau ranzukommen, die den Film geklaut hat, legen wir noch ein bisschen zu.«
     

16

Der Felsen von Ehrenbreitstein. Das war es also.
    Der Artikel war am 2. Juni 1982 erschienen, Carolas Kletterpartie dürfte also am Wochenende davor stattgefunden haben. Ende Mai. Das kam hin.
    Mike stapelte die Zeitungen und stand auf. Der Archivar lächelte ihn an. Mike hatte ihm Anitas Adresse gegeben. Was er ihm allerdings verschwiegen hatte, war die Tatsache, dass die Diebin sicher nicht mehr zu finden sein würde.
    »Eine Frage habe ich noch«, sagte Mike. »Vielleicht kennen Sie sich ja mit dem alten Schloss in Ehrenbreitstein aus. Da soll es ein so genanntes Pagenhaus geben. Wissen Sie, wo das ist?«
    Der Mann nickte, ging an ein Regal und holte einen Bildband hervor. Er blätterte eine Weile und schlug dann eine Ansicht des Ehrenbreitsteiner Rheinufers auf. Das Foto zeigte den typischen Blick: auf dem Berg die alten kantigen Festungsmauern, darunter der rissige Felsen, der an alte Haut erinnerte. Direkt am Rheinufer lag lang gestreckt an den Hang gedrängt ein Gebäude mit rot-weißen Barock-Fassaden, das wie der kleine Bruder des kurfürstlichen Schlosses auf der Koblenzer Seite wirkte.
    »Hier an der Seite ist das Pagenhaus«, sagte der Archivar und zeigte auf ein weiteres Gebäude an der Steilwand. Es sah aus wie eine kleine Villa. Direkt dahinter verlief eine diagonal in die Höhe strebende Mauer. Der Fußweg zur Festung. Mike zog in Gedanken eine Linie vom Pagenhaus gerade in die Höhe. Sie ging exakt an der steilsten Stelle des Felsens vorbei.
    Konnte man dort Geld verstecken? In einer Höhle?
    Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.
     
    Mike brachte den Peugeot in der letzten Parklücke vor der Ehrenbreitsteiner Kapuzinerkirche unter und ging den Rest zu Fuß.
    Der Gehweg am Fuß der Felswand war ziemlich schmal. Mike musste beängstigend nahe an der Bundesstraße vorbei. Keinen Meter neben ihm donnerte der Verkehr. Schließlich zweigte ein kleines, steiles Sträßchen ab – direkt hinter dem Pagenhaus her und an dessen Dach vorbei. Auf der anderen Seite erhob sich die steile Wand. Mike marschierte ein Stück, blieb stehen und sah nach oben. Hier musste Carolas Startpunkt gewesen sein.
    Die Felswand war rissig und kantig. An vielen Stellen hatte sich eine Art Efeu ausgebreitet. Wenn es da irgendwo eine Höhle gab, konnte sie zugewachsen sein.
    Um die Wand bis oben hin zu erklettern, brauchte man sicher technische Hilfsmittel, dachte Mike. Außer, man war so ein Ass wie Carola.
    Was würde Anita tun? War sie schon hier gewesen? Oder kam sie jeden Moment? Dass sie nicht hier war, irritierte ihn. Wenn seine Theorie stimmte, musste sie das Geld holen.
    Irgendwann würde sie schon kommen. Aber wann?
    Vielleicht, wenn wenig Leute da waren. Nachts?
    Nein. Nachts war die Sicht zu schlecht. Und wenn man mit Lampen da rauf ging, war das zu auffällig.
    Früh morgens. Das war wohl die beste Möglichkeit. Die Sonne ging hinter dem Felsen auf; die Kletterstrecke lag somit am Morgen noch eine Weile im Schatten, und man wurde nicht so leicht entdeckt.
    Mike lehnte sich an die Mauer, die den steilen Weg zum Tal hin begrenzte. So würde es sein. Anita würde morgen früh hier auftauchen. Wenn sie nicht schon hier gewesen war. Das war jedoch unwahrscheinlich. Seit ihrem Archivbesuch war gerade mal eine Stunde vergangen.
    Vielleicht kam sie ja heute noch. Wann ging die Sonne unter? Zwischen acht und halb neun. Jetzt war es kurz vor sechs. Er musste sichergehen. Es gab unangenehmere Orte, den Abend zu verbringen.
    Mike bemerkte eine Bewegung auf dem Weg. Ein paar Leute kamen herunter. Als sie näher kamen, erkannte Mike, dass es Japaner waren. Ausnahmsweise mal nicht eine von diesen Reisegruppen, sondern eine ganz normale Familie. Vater, Mutter und zwei Töchter. Alle vier in Jeansshorts, Sandalen und mit runden weißen Baumwollkäppis auf dem

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