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Schängels Schatten

Titel: Schängels Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Beispiel?«
    Sie dachte einen Moment nach. Ein paar Sekunden lang stand zwischen Europa und dem amerikanischen Kontinent über Tausende von Kilometern die Stille in der Leitung.
    »Warum sollte er das ausgerechnet jetzt tun?«, fragte sie leise, und der Ton in ihrer Stimme zeigte Mike, dass sie dasselbe dachte wie er.
    »Jemand hat ihn darauf aufmerksam gemacht. Die Journalistin Carola Zerwas, die über das Denkmal eine Geschichte schreiben wollte.«
    »Könnten wir sie nicht fragen?«
    »Sie ist tot, Miss Nair. Jemand hat sie ermordet.«
    »Was?«
    »Ich sage die Wahrheit.«
    »Oh, mein Gott!«
    »Ich muss rausfinden, was dahinter steckt.«
    »Glauben Sie etwa, mein …« Plötzlich schien die Frau am anderen Ende der Leitung extrem aufgebracht. Sie fluchte vernehmbar. »Das sind alles Hirngespinste. Unsinn. Bullshit.«
    »Miss Nair …«
    Mike drang nicht zu ihr durch.
    »Miss Nair, lassen Sie mich noch etwas sagen … Miss Nair, ich habe auch herausgefunden, was mit der Bezeichnung ›Gimlet‹ gemeint ist. Hallo? Bitte hören Sie mir zu!«
    »Also gut, was ist damit gemeint?«, fragte sie schließlich.
    »Es sind Waffen, Miss Nair. Genauer gesagt: eine Waffe. Eine Waffe, mit der man bequem ein Denkmal zerstören kann. Quasi im Alleingang.«
    »Was?«
    »Es ist so, wie ich sage. Und wissen Sie, was gestern hier in der Nähe passiert ist?«
    »Sagen Sie es mir.«
    »Jemand hat mit so einem Ding geschossen.«
    »Auf das Denkmal?«
    »Nein. Auf einen … wie heißt das noch … Kran. Auf einen Kran in einem Industriegebiet.«
    Sie lachte wieder, diesmal klang es abschätzig. »Und Sie glauben, mein Vater habe das getan?«
    »Wenn meine Theorie stimmt, ja.«
    »Und Sie glauben, er hat den Mord an der Journalistin begangen.«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wissen Sie eigentlich, was Sie da behaupten? Das ist doch alles nonsense.«
    Mike seufzte. Es klang ja auch völlig absurd! Doch er war sicher, dass an seiner Idee etwas dran war. In einen Menschen, der über Jahre hinweg daran leidet, seine Ziele nicht erreicht zu haben, konnte er sich gut hineinversetzen.
    »Es ist unlogisch«, sagte sie.
    »Warum?«
    »Nehmen wir an, mein Vater hätte es tatsächlich auf das Denkmal abgesehen. Nehmen wir an, er hätte tatsächlich diese Waffe gekauft. Warum hätte er dann in diesem Industriegebiet damit schießen sollen?«
    »Ich würde sagen, er hat die Waffe getestet«, erklärte Mike.
    »Aber was hat die Journalistin damit zu tun?«
    Er wusste keine Antwort.

18
    Die Hitze auf dem Parkplatz brannte unbarmherzig. Mike stand mit dem Rücken zu seinem Wagen. Die Plastikfolie am Fahrerfenster hatte er wieder entfernt. Es sah jetzt so aus, als sei die Scheibe heruntergekurbelt.
    Es war ziemlich einfach gewesen, die Taxizentrale anzurufen und den Fahrer, der als Zeuge im Radio interviewt worden war, zu McDonald’s an der B 9 zu bestellen. Niemand hatte ihn gefragt, warum es gerade dieser Fahrer sein musste. Wahrscheinlich freute man sich einfach über die unverhoffte PR.
    Mike beobachtete das Treiben hinter der Scheibe des Schnellrestaurants. An einem der Schalter arbeitete Jürgen Lange. Mike sah, wie er wild gestikulierend auf einen Mitarbeiter einredete. Offensichtlich war er der Chef hier. Immerhin. Jürgen bemerkte ihn nicht.
    Plötzlich kam ein Taxi auf den Parkplatz gerollt. Es war ein Mercedeskombi.
    Der Fahrer hielt neben Mike und ließ die Scheibe herunter.
    »Ein Taxi für Engel?«
    Mike nickte, ging um den Wagen herum und setzte sich auf den Beifahrersitz.
    »Wohin soll’s denn gehen?«, fragte der Mann und beugte sich vor, um das Taxameter anzuwerfen. Er trug ein weißes T-Shirt, auf dem riesige Schwitzflecken auf der Brust und unter den Armen prangten. Dabei war es im Inneren des Wagens recht angenehm. Mein nächstes Auto hat eine Klimaanlage, schwor sich Mike.
    »Richtung Innenstadt bitte.«
    »Wird prompt erledigt«, sagte der Fahrer jovial und fuhr auf die Bundesstraße.
    Während sie sich der Moselbrücke näherten, überlegte Mike, wie er anfangen sollte. In seiner Hosentasche steckte zusammengefaltet das Internet-Material. Auf der Hauptseite war ein Foto von Nair – alt zwar, aber immerhin. Am liebsten hätte Mike dem Taxifahrer das Foto unter die Nase gehalten und ihn gefragt, ob das der Mann mit dem Kontrabass gewesen war. Aber was würde der Taxifahrer dann tun? Zur Polizei gehen?
    Sie erreichten die schnurgerade Brücke. Der Fahrer gab Gas. Als sie etwa in der Mitte angekommen waren, musste er sich

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