Schängels Schatten
Betongelände wurde immer stärker, je näher Mike kam.
Die Rückseite besaß keinen Eingang und kein Fenster. Das Grundstück war von einem Zaun begrenzt, dahinter reckten sich Bäume in die Höhe. Und von dort kam auch das endlose Kreischen und Mahlen.
Etwas Hartes rammte ihn in den Rücken. Dann meldete sich hinter ihm eine wohl bekannte Stimme.
»Wird Zeit, dass du auftauchst«, zischte Anita gerade so laut, dass sie das Geröhre auf dem Nachbargrundstück übertönte. »Ich habe verdammt lange gewartet.«
*
Es sind Unmengen von Touristen unterwegs. Immer wieder kreuzen sie plötzlich vor seinem Kühler die Fahrbahn.
Der Verkehr nimmt zu, je näher er dem Zusammenfluss von Rhein und Mosel kommt. Schließlich sind die Parkmöglichkeiten auf der rechten Seite zu Ende. Links gibt es einen kleinen Parkplatz, der hoffnungslos belegt ist.
Er muss stoppen, weil sich zwei Busse von rechts heranschieben. Dann kann er der Straße weiter folgen. Sie beschreibt einen Bogen um eine kleine Anlage mit alten Mauern. Als er am Eingang vorbeikommt, sieht er innen Menschen zwischen leuchtenden Blumenrabatten herumspazieren.
Die Straße führt zum Rhein hinüber, und jetzt entfernt er sich wieder vom Denkmal. Das ist schlecht. Er muss so nahe wie möglich dranbleiben. Doch es geht noch mindestens eine halbe Meile weiter, bis er endlich eine Parklücke findet.
Er steigt aus, öffnet die Heckklappe und zieht die Decke weg.
*
Mike war starr vor Schreck. Gleichzeitig hatte er das Gefühl, in Ohnmacht fallen zu müssen. Er suchte instinktiv etwas zum Festhalten, aber da war nichts. Anita packte ihn von hinten hart an der Schulter.
»Schön langsam«, sagte sie.
»Was willst du?«, keuchte er. »Wenn du schießt, hören das die Arbeiter nebenan.«
»Deswegen gehen wir ja auch ins Haus. Da sind wir ungestört. Schade, dass du nicht von selbst reingekommen bist.«
Der Druck der Pistole in seinem Rücken wurde stärker.
»Langsam zur Tür gehen«, sagte Anita.
Mike bewegte seine Gummibeine. Er versuchte nachzudenken, aber in seinem Kopf herrschte eine furchtbare Leere.
»Ein bisschen schneller.« Sie drückte wieder etwas fester. Die Metallkante der Pistole rieb schmerzhaft an einem Wirbel in Mikes Rücken.
Auf der Straße vor dem Grundstück rumpelte ein Lkw entlang. Der Fahrer würdigte Mike keines Blickes. Zwei Sekunden später waberte eine Staubwolke nach.
Sie erreichten das Gebäude.
»Schneller, hab ich gesagt.«
Mike wusste, dass er keine Chance hatte, wenn er da hineinging. Er blieb stehen.
»Was ist los?«
»Ich gehe da nicht rein«, brachte er mühsam hervor. »Ich lass mich doch nicht abknallen.«
»Es geht ganz schnell, glaub mir«, sagte sie, und ihre Stimme klang fast schmeichelnd.
Mike bekam einen Schweißausbruch. Hektisch wischte er sich über das Gesicht.
»Was hast du davon, wenn du mich erschießt?«, ächzte er.
Der Druck auf den Rücken war plötzlich weg. »Schön stehen bleiben«, sagte sie. »Ich hab dich weiterhin im Visier.«
Sie umrundete Mike und kam langsam in sein Blickfeld – die Pistole in den ausgestreckten Händen. Sie trug nicht mehr das Sommerkleid, sondern ein weißes T-Shirt und eine Jeans.
»Wo ist eigentlich Wenzes?«, fragte Mike.
Anita machte eine Kopfbewegung zum Haus hin. »Da drin. Er wartet auf uns.«
»Woher wusstest du, dass ich herkommen würde?«
»Du hast diese Adresse so oft erwähnt, da war es nur eine Frage der Zeit. Ich habe hier solange Unterkunft gefunden.«
»Und warum bist du nicht längst abgehauen?«
Anita lachte. »Das ist ja wohl klar. Da wartet noch eine Million auf mich. Die habe ich mir für den Zeitpunkt aufgespart, wenn ich dich aus dem Weg geräumt habe. Du warst ja zu dämlich, das richtige Versteck zu finden.«
Wieder kam ein Lkw; diesmal aus der anderen Richtung.
»Los jetzt. Rein ins Haus.«
»Wenn du glaubst, das Geld sei am Hang von Ehrenbreitstein, dann wirst du wohl eine Enttäuschung hinnehmen müssen. Da ist es nicht.«
»Hör auf, Zeit zu schinden. Ich zähle bis drei, Mike. Dann bist du dran. Ob die den Schuss drüben hören oder nicht. Bis die kapiert haben, was hier passiert, bin ich über alle Berge. Mit dem Geld.«
»Ohne Geld«, sagte Mike. »Wie gesagt: Falls du das Geld in der Wand von Ehrenbreitstein vermutest, muss ich dich enttäuschen. Ich habe selbst nachgesehen.«
»Das glaube ich dir aufs Wort. Du bist ja bekanntlich eine Sportskanone.«
»Warum hast du nicht in der Zwischenzeit selbst
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