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Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Mayer-Zach
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einige Geschichten erzählen.“ Kein Augenzwinkern, kein Grinsen. Paula war nicht klar, wie das gemeint war. Sie suchte nach einem verräterischen Gesichtsausdruck, konnte aber in dieser ausdruckslosen Miene nichts entdecken.
    „Entschuldigen Sie, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Paula Ender. Ich schreibe eine Biografie über Stefan Urban und sein Werk.“
    „Doktor Emilia Znan“, erwiderte die Frau und wirkte plötzlich gar nicht mehr so abweisend. „Ich bin für den Laden hier zuständig. Wenn Sie etwas über das Institut wissen wollen, dann fragen Sie. Ich kann jede Werbung gut gebrauchen.“
    „Danke, auf dieses Angebot komme ich gern noch zurück. Aber fürs Erste muss ich Informationen über Stefan Urban sammeln. Wie haben Sie das gemeint mit den Geschichten, die Sie mir erzählen könnten.“
    „Das ist nichts, was Sie für Ihre Arbeit verwenden können. Vergessen Sie das lieber gleich wieder.“
    „Ich könnte mir gut vorstellen, dass ich ein Kapitel der Biografie dem Wirken Stefan Urbans an Ihrem Institut widmen könnte, vorausgesetzt, dass ich ausreichende Informationen erhalte.“ Paula fuhr volle Geschütze auf. Entweder stieg die Frau auf das Angebot ein oder sie ließ es bleiben.
    Die Znan witterte sofort die Chance für ihr Institut.
    „Kommen Sie mit in mein Büro. Fragen Sie – was immer ich Ihnen sagen kann, werde ich erzählen. Ein eigenes Kapitel, sagten Sie? Können Sie da auch unser Lehrprogramm oder unsere Institutsphilosophie einbauen?“
    Paula war die Frau zuwider, aber sie folgte ihr durch die trostlosen Gänge bis zum Büro, das sich in seiner Ausstattung überraschend vom bisher Gesehenen abhob. Farblichsortierte Schachteln und Ordner standen in Reih und Glied in den Regalen. Mehrere Pflanzen gaben dem Raum eine angenehme Atmosphäre: Die Luft war nicht so abgestanden, wie in den Gängen des Instituts. An einer der gelb gestrichenen Wände befand sich eine moderne Glasvitrine, in deren Fächern gerahmte Fotos standen. In diesem Büro hatte alles seinen festen Platz. Eine moderne Uhr mit übergroßen Ziffern, die über dem aufgeräumten Schreibtisch hing, tickte vor sich hin.
    „Hier, da kann ich Ihnen unseren Jubiläumsband vom Vorjahr geben. Da finden Sie Infos über das Institut und ein großes Kapitel über das Schaffen von Stefan Urban.“
    Das Schaffen von Stefan Urban, äffte Paula die Frau innerlich nach. Wie sich der Tonfall änderte und wie zuvorkommend manche Leute plötzlich wurden, wenn sie sich einen Vorteil erhofften.
    Seit Paula ihr von der Biografie erzählt hatte und die Znan sich die Erwähnung ihres Instituts erhoffte, war sie so freundlich geworden, dass wohl bald Schleimspuren auf dem Parkett zu sehen sein würden.
    „Und können Sie mir auch etwas über Gerlinde Wagner erzählen?“, versuchte Paula erneut ihr Glück.
    Die Znan nahm ihr den Jubiläumsband aus den Händen und schlug ihn auf.
    „Das ist sie.“
    Sie deutete auf ein Foto, auf dem Stefan Urban und zwei Frauen zu sehen waren. Eine der beiden Frauen war die Znan. Kaum wiederzuerkennen – in einem gut sitzenden Kostüm und offensichtlich frisch vom Friseur, denn keine graue Strähne blitzte aus der Föhnfrisur. Die andere Frau war kleiner und zart, hatte lange dunkle Haare und ein auffallend hübsches Gesicht. Wie die junge Elizabeth Taylor, war Paulas erster Gedanke.
    „Eine hübsche Person“, sagte sie nachdenklich. „Weshalb ist sie weggegangen?“
    „Ach, diese jungen Mädchen haben doch alle kein Durchhaltevermögen mehr. Urban war ein Genie und die sind halt ein wenig durchgeknallt. Es war sicher nicht einfach, mit ihm zu arbeiten, das gebe ich zu, aber das, was er von seinen Mitarbeitern gefordert hat, hat er auch selbst gegeben. Er war ein Perfektionist, der genau wusste, was er wollte. Und er hatte einen guten Riecher für alles, was seiner Karriere förderlich war. Und er verlangte von allen in seiner Umgebung absolute Unterwerfung, wenn sie an diesem Erfolg teilhaben wollten.“
    „Wissen Sie, wo ich Gerlinde Wagner finden kann? Sie kann mir vielleicht einiges über das ‚Genie‘ Urban erzählen.“ Paulas süffisante Betonung entging Doktor Znan glücklicherweise.
    „Soweit ich weiß, kellnert sie jetzt in irgendeiner Studentenkneipe. Aber ich habe jeglichen Kontakt zu ihr abgebrochen, nachdem sie Urban und unser Institut derart in Verruf gebracht hat.“ Erschrocken sah sie Paula an und versuchte die letzte Aussage abzumildern: „… ich meine, nachdem sie Urban und

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