Schärfentiefe
schwer.“ Markus beugte sich über Paula und blies seinen Atem in ihren Nacken.
„Und? Wäre das so schlimm? Deine Bankheinis checken das morgen sicher nicht, wenn du das Gleiche anhast wie gestern und duschen kannst du auch bei mir. Ich hole uns auch frische Semmeln fürs Frühstück.“
„Darum geht es doch nicht.“ Markus war aufgestanden und suchte sich seine Kleidungsstücke zusammen. „Ich kann es mir nicht leisten, unkonzentriert zu sein und dazu brauche ich nun mal eine gehörige Portion Schlaf.“ Bevor Paula etwas erwidern konnte, küsste er sie und umarmte sie so fest, dass sie nach Luft rang. „Unsere Auffassung von Schlafen ist aber unterschiedlich. Ich meine nicht das, was du darunter verstehst.“ Paula war sich da nicht so sicher, wie weit ihre Auffassungen voneinander abwichen. Sein Schlüsselbund lag auf dem Wohnzimmertisch, er konnte also nicht der harte Gegenstand sein, den sie in seiner Hose spürte. Markus ging noch nicht. Er kam noch einmal.
„Hast du Lust, Weihnachten bei meiner Familie zu feiern?“ Das war ihr einfach so herausgerutscht. War sie irre, einen Mann, den sie gerade mal einige Wochen kannte, zum Weihnachtsessen einzuladen? Aber Markus machte keinen irritierten Eindruck.
„Das ist süß, dass du mich für Weihnachten einlädst. Aber es geht leider nicht. Wenn ich mich zweiteilen könnte, würde ich sehr gern mit dir und deiner Familie feiern. Aber ich fahre nach Tirol zu meiner Familie und komme erst zu Dreikönig wieder nach Wien.“
Paulas Stimmung war schlagartig im Keller. „Das heißt, dass wir weder Weihnachten noch Silvester gemeinsam feiern werden?“
„Versteh doch, meiner Mutter würde es das Herz brechen, wenn ihr Lieblingssohn nicht mit ihr feiern würde.“
„Ich könnte dich ja auch besuchen kommen, wenn du möchtest. Nicht zu Weihnachten, aber vielleicht zu Silvester? Wäre es nicht toll, gemeinsam das neue Jahr zu begrüßen?“
„Nein, das ist keine gute Idee. Meine Familie braucht immer ein wenig Vorlaufzeit, bis sie sich an Neues gewöhnt hat. Ich möchte dich jetzt noch nicht ihren quälenden Fragereien und Durchleuchtungen aussetzen.“
„Ach, das wäre mir egal“, insistierte Paula trotzig.
„Also gut. Ich mache dir einen Vorschlag. Ich werde Silvester mit dir hier in Wien feiern. Dafür versprichst du mir, dass du mich ab sofort immer brav um elf Uhr nach Hause gehen lässt und kein schlimmes Mädchen bist, das mich an sein Bett fesselt.“
Schade, dass sie Weihnachten schon wieder allein verbringen musste. Sie hatte es sich in ihrer Fantasie so schön vorgestellt. Weihnachten nein, Silvester ja. Dieser Kompromiss war aber besser als ein Stein auf den Kopf. Und schließlich hatte sie auch noch ein eigenes Leben und einen interessanten Beruf, für densie Zeit brauchte. Und überhaupt, sie war auch bisher sehr gut ohne Markus ausgekommen.
Paula kochte Tee und beseitigte die Spuren des wilden Abends. Es war fast Mitternacht, doch von Müdigkeit keine Spur. Die Geschichten des alten Mannes geisterten in ihrem Kopf herum. Sie wollte auch mit Markus darüber sprechen, doch dafür war ihnen schon wieder keine Zeit geblieben.
Bleschs Erzählungen waren sehr unterhaltsam gewesen, aber da und dort hatten sich unangenehme Untertöne eingeschlichen. Paula konnte nicht sagen, was genau sie gestört hatte. Vielleicht war es nur diese gewisse Überheblichkeit, mit der er manchmal über Frauen gesprochen hatte?
Sie überlegte, ob sie sich vor den Fernseher setzen oder noch etwas in Sachen Stefan Urban arbeiten sollte. Nach einem Blick ins Fernsehprogramm fiel ihr die Entscheidung leicht. Bald darauf saß sie vor dem Computer, trank Tee, knabberte an den Resten der Salamipizza und klopfte einige der Geschichten, die sie von Blesch erfahren hatte, in die Tasten. Sie beschloss, ein Kapitel mit dem Arbeitstitel „Frauen“ einzufügen. Sollte sie nicht genügend Informationen erhalten, konnte sie es immer noch löschen.
Als sie gegen halb zwei den Computer ausschaltete, war sie noch immer nicht müde. Paula holte sich eine CD mit kubanischer Musik und ließ sich ein Bad ein. Ibrahim Ferrer sang von „Dos gardenias para ti, con ellas quiero decir: te quiero, te adoro, mi vida …“ – „Zwei Gardenien für dich, mit denen ich dir sagen will, dass ich dich liebe, dich anbete, du mein Leben …“, und Paula versank im Honig-Orangen-Schaumbad.
Warum ging ihr das Gesicht dieser blonden Frau auf dem Fischfoto nicht aus dem Kopf? Es war irgendeine
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