Schakale Gottes
Circator, ein asketisch aussehender junger Mönch. Ihm folgte der Prior, der in den breiten und mit blitzenden Fliesen belegten Gängen dicht an den Wänden entlangging.
Seltsame Angewohnheit, dachte der hinter ihm gehende Kriminalist.
Den Schluß bildete Pater Bonaventura. Sein Keuchen ging im hallenden Klang der Schritte unter. Ihnen entgegenkommende Mönche traten zur Seite und senkten demütig den Kopf.
Vor einer der nach Norden gelegenen Zellen blieb der Circator stehen und schloß die Tür auf.
Der Prior trat ein und bedeutete dem Kriminalisten, ihm zu folgen.
Pawel Bobak zögerte. Die Kahlheit der Zelle beeindruckte ihn. An den gekalkten Wänden hingen einige Heiligenbilder: die Nachbildung der Schwarzen Madonna mit dem Jesuskind auf dem Arm; eine Darstellung der Heiligen Familie, auf der Vater Jósef im Hintergrund emsig hobelt; ein Bild des Gottessohnes, der sein Gewand über der Brust auseinanderhält und ein mit Strahlen geschmücktes Herz zur Schau stellt.
Ein schlichtes Feldbett diente als Nachtlager. Das Bettzeug war geglättet und ausgerichtet wie beim Militär. An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein mit Wachstuch überzogenes Liegesofa. In der hinteren Ecke der Zelle hing ein Kruzifix. Darunter stand ein Betstuhl mit hochgezogenem Pult, auf dem ein Brevier lag. Auf der Fensterbank standen zwei Gläser mit Hyazinthenzwiebeln, über die spitze Papierhütchen gestülpt waren.
»Hier dürfte kein Telegramm zu finden sein«, sagte Kriminalmeister Bobak, nachdem er sich den übersichtlichen Raum genau angesehen hatte.
Das Gesicht des Priors drückte Zufriedenheit aus. »Ich habe nichts anderes erwartet.«
Pawel Bobak nickte. »Ich ebenfalls nicht. Mir ging es auch nur darum, diesen Raum kennenzulernen.«
Der Ordensvorsteher schaute ihn verwundert an. »Aber Sie sagten doch …«
»Gewiß«, fiel der Kriminalist ein und tat einen Seufzer. »Was sagt man nicht alles, um sein Ziel zu erreichen.« Pater Bonaventura schnaufte: »Ich habe geahnt, daß Sie Böses im Schilde führen.«
Pawel Bobak wandte sich um. »Ist es wirklich böse, ein Verbrechen so behutsam aufklären zu wollen, daß dieses Kloster dabei nicht allzusehr in Mitleidenschaft gerät?«
Prior Rejman trat vor ihn hin. »Worauf wollen Sie hinaus?«
»Das werde ich Ihnen später sagen. Zunächst möchte ich noch die Zelle des Paters Rochus, alias Domnik Dabrow, sehen.«
Seine Worte wirkten wie ein Peitschenschlag.
»Sie haben uns hereingelegt«, keuchte Pater Bonaventura.
Der Ordensvorsteher gebot ihm zu schweigen. »Causa finita est!« sagte er und wandte sich an den Circator. »Führe uns zur Zelle von Pater Rochus.« Der Custos erregte sich. »Wir können doch nicht …«
»Ich sagte: Causa finita est!« unterbrach ihn der Prior streng. »Die Sache ist zu Ende! Es hat keinen Zweck, mit untauglichen Mitteln zu versuchen …« Er rang nach Luft. »Der Herr Kriminalmeister tut seine Pflicht, und wir wollen ihm dabei helfen, soweit uns dies möglich ist.«
Bin gespannt, wie das aussehen wird, dachte Pawel Bobak. Ihm kam die Wandlung des Ordensvorstehers zu plötzlich.
Der Circator schloß die Zelle Nummer 18 auf und bekreuzigte sich.
Prior Rejman trat zur Seite. »Bitte«, sagte er, ohne in den Raum einzutreten.
Pawel Bobak sah zwei Dinge mit einem Blick: es fehlte das Liegesofa, und Teile des Fußbodens und einer Wand waren überstrichen. »Das genügt«, sagte er. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir uns nun in Ruhe unterhalten könnten.«
Der Ordensvorsteher war bleich wie ein Leintuch. Seine Backenknochen ließen erkennen, daß er die Zähne zusammenbiß.
Schweigend kehrten sie in den Arbeitsraum des Priors zurück.
Dort angekommen, übernahm Pawel Bobak die Führung des Gespräches. Ausführlich legte er dar, welche Verdachtsmomente ihn gezwungen hatten, sich unter einem Vorwand Einblick in die Zellen der ihm verdächtig erscheinenden Patres zu verschaffen. Nur so habe er ermitteln können, wer von ihnen der Täter und wer der Mitwisser sei. Da sich der Ermordete in der Matratze eines Liegesofas befunden habe, wie es in Pater Markus' und wahrscheinlich in jeder anderen Zelle stehe, im Raum von Pater Rochus jedoch fehle, ergebe sich mit großer Wahrscheinlichkeit, daß Pater Rochus die Tat verübt habe. Dafür spreche auch, daß er es war, der das Telegramm an Pater Markus sandte. Als Beweis müsse ferner angesehen werden, daß Teile der Wand und des Fußbodens seiner Zelle neu gestrichen seien, offensichtlich,
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