Schakale Gottes
um Spuren zu beseitigen.
»Daraus ist zu schließen, daß hier im Kloster ein Mord verübt worden ist«, schloß der Kriminalist, »und es ist mir unverständlich, daß der Orden keine Anzeige erstattet hat.«
»Jetzt sind Sie voreilig«, verteidigte sich Prior Rejman. »Wir wußten doch überhaupt nicht, was geschehen war. Wohl wurde mir mitgeteilt, daß Pater Rochus das Kloster ohne Erlaubnis verlassen hatte. Daß solches gelegentlich vorkommt, muß ich leider bekennen. Mein Vorgänger war alt und hat die Zügel schleifen lassen. Seit Jahren bemühe ich mich … Es ist manchmal sehr schwer. Der Mensch hinkt zu Gott und läuft zum Teufel.« Er strich sich über die Stirn. »Um auf Ihren Vorwurf zurückzukommen: für mich bestand kein Grund, Alarm zu schlagen. Besorgt wurde ich auch nicht, als der Circator mir meldete, die Zelle von Pater Rochus sei neu gestrichen und das Liegesofa verschwunden. Ich bin der Sache natürlich nachgegangen, und es stellte sich heraus, daß Pater Rochus am Tage vor seinem Fortgang den Klostermaler Piotr um Farbe und Pinsel gebeten hatte. Das war gewiß merkwürdig. Ebenso merkwürdig wie das Fehlen des Sofas. Beides konnte mich jedoch nicht veranlassen, an ein Verbrechen zu denken. Erst als die Presse von der in einem Liegesofa versteckten Leiche berichtete, wurde mir klar, daß sich etwas Böses ereignet hatte. Ich ließ sogleich eruieren, ob außer Pater Rochus noch jemand fehle, doch alle Patres, Fratres und Laienbrüder waren anwesend. Daraus schloß ich, daß nicht hier im Kloster, sondern anderswo etwas Schreckliches geschehen sein müsse. Doch wo auch immer: für mich stand von diesem Augenblick an fest, daß Pater Rochus eine schwere Schuld auf sich geladen hatte, und ich zog die sich daraus ergebende Konsequenz: ich fuhr mit Pater Bonaventura nach Rom und erwirkte von Papst Pius X. die Exkommunikation des in Verdacht geratenen Ordensbruders.«
»Excommunicatio major!« betonte der Custos mit erhobener Stimme. »Dieser Bann nimmt auch die bürgerlichen Rechte! Und er wurde ›ferendae sententiae‹ ausgesprochen, also nicht infolge einer allgemeinen Vorschrift, sondern auf Grund eines Urteilsspruches!«
»Damit ist der Gerechtigkeit keineswegs Genüge getan«, erklärte der Kriminalist ungerührt. »Verlassen wir also die Welt der Kirche und kehren wir auf den Boden des Staates zurück. Noch heute muß ich einen Fahndungsbefehl beantragen.«
Der Prior, dessen Lauterkeit außer Zweifel stand, atmete schwer. »Wäre es möglich, diesen auf den Namen Domnik Dabrow …?«
»Das ist ausgeschlossen!« fiel Pawel Bobak ein. »Der Flüchtige trägt die Kutte der Pauliner.«
»Bitte, bedenken Sie, welcher Schaden unserem Kloster entstehen wird!«
»Die Schuld liegt nicht bei mir.«
»Bei uns ebenfalls nicht. Wir sind doch nur eine Schneeflocke in der Lawine, die nun ins Rollen gerät.«
»Dem will ich gerne Rechnung tragen. Da die Leiche im Kreis Petrikau gefunden wurde, werde ich mich an den dortigen Staatsanwalt wenden. Das wird zwar nicht viel helfen, aber die Glocken von Petrikau dürften in Czenstochau nicht ganz so laut zu hören sein, ich muß Sie allerdings bitten, mir jetzt über alles, was Sie wissen, reinen Wein einzuschenken.«
Prior Rejman blickte bedrückt vor sich hin. Dem Custos perlte der Schweiß auf der Stirn.
Pawel Bobak schaute von einem zum anderen. »Wissen Sie, wer der Ermordete ist?«
»Wir haben nicht die geringste Ahnung«, antworteten beide wie aus einem Munde.
»Es gibt auch keinen Hinweis, der mir weiterhelfen könnte?«
Der Ordensvorsteher schüttelte den Kopf. »Wir stehen selbst vor einem Rätsel. Ich kann Ihnen versichern, daß niemand einen Fremden im Klostertrakt gesehen hat.«
»Und was ist mit Pater Markus?«
Der Prior hob die Schultern. »Er hat, wie ich schon sagte, während meiner Abwesenheit um Urlaub nach Karlsbad gebeten. Nach allem, was ich nun weiß, vermute ich jedoch, daß er nicht dorthin gefahren ist.«
»Gibt es einen Hinweis, wohin er gefahren sein könnte?«
»Wir wissen nur, daß er sich mit dem Gedanken trug, nach Amerika auszuwandern. Dort leben die Angehörigen seiner Familie.«
Kriminalmeister Bobak erhob sich. »Ich werde alles tun, um möglichst wenig Staub aufzuwirbeln. Ganz wird sich die Öffentlichkeit natürlich nicht ausschalten lassen.«
Prior Rejman machte eine hilflose Geste. »Unheil beklagen, das nicht zu ändern ist, heißt das Unheil vergrößern. Trösten wir uns damit, daß Gottes Haustür
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