Schakale Gottes
wohlberechneten Seufzer hinterher. »Wenn wir dich nicht kennengelernt hätten, würde das Haus jetzt zur Versteigerung anstehen.«
Pater Rochus schüttelte sich, wie vom Frost erfaßt. »Eine schreckliche Vorstellung. Ich bin dem Herrgott dankbar dafür, daß sich unsere Wege gekreuzt haben.«
Natascha blieb plötzlich wie angewurzelt stehen und schaute entgeistert auf ein paar grünberockte Soldaten, die hinter einigen Menschen herliefen und mit Gewehrkolben auf sie einhieben. »Ist das nicht entsetzlich? Wo immer es schön ist, werden die Juden vertrieben!«
»Vergiß nicht, daß ihnen der Krasinskische Park zur Verfügung steht«, gab Pater Rochus zu bedenken.
Sein befremdlicher Gleichmut machte sie betroffen. »Tun dir die Menschen denn nicht leid?«
»Nein«, bekannte er offen. »Es sind Juden, die Nachfolger derer, die Christus ans Kreuz geschlagen haben.«
Natascha war außer sich. »War Christus etwa kein Jude?«
»Das schon. Aber …«
»Kein Aber«, unterbrach sie ihn in der Absicht, ihn zurechtzuweisen. Doch dann befürchtete sie eine Verstimmung, auf die sie es nicht ankommen lassen wollte. Die geplante Reise nach Wien durfte keinesfalls gefährdet werden. Sie lenkte deshalb ein, indem sie verdrehte, was sie hatte sagen wollen: »Kein Mensch ist ohne ein Aber.«
»Und es ist somit verständlich, daß wir alle ein wenig scharfes und unbestimmtes Bild hinterlassen«, entgegnete er prompt und bewunderte die Beweglichkeit, mit der Natascha sich aus der Affäre gezogen hatte.
Sie wiederum freute sich über seine blitzschnelle Reaktion und fragte, um vom Thema fortzukommen, ganz Übergangs los: »Hast du schon eine Ahnung, wann wir unsere Reise antreten könnten?«
Er wurde lebhaft. »Mir würde es Ende März am besten auskommen. Dann ist es schon etwas frühlingshaft. Einige Wochen später wäre es mir zwar lieber, doch zu Ostern muß ich in Czenstochau sein.«
»Habe ich mir besondere Papiere zu verschaffen?«
»Nein, die besorge ich. In Czenstochau gibt es einen ausgezeichneten Fälscher.«
»Auch Ihr reist mit gefälschten Ausweisen?«
»Bei den Russen geht's nicht anders«, antwortete er abfällig. »Ein typisches Beispiel: Sie lehnen sich gegen die römisch-katholische Kirche auf, erstarren aber in Ehrfurcht, wenn man ihnen ein Dokument des Vatikans vorlegt.«
Natascha lachte. »Genauso sind sie.«
»Wir müssen uns nur darüber klarwerden, ob wir deinen oder meinen Nachnamen wählen wollen.«
»Warum denn das?« fragte sie erstaunt.
»Weil wir uns zweckmäßigerweise als Geschwister ausgeben. Im Hotel wird es sonst zu kompliziert für mich.«
Natascha sah das ein und schlug vor, nicht ihren, sondern seinen Geburtsnamen zu wählen. Er war einverstanden und schnitt die Frage ihrer Reiseausrüstung an.
Sie verschwieg, daß sie sich schon ausgestattet hatte, und behauptete, Babuschka, die er ja reichlich versorgt habe, würde ihr schon helfen.
Davon wollte er nichts wissen. Er bat sie inständig, derartige Dinge seine Sache sein zu lassen, und erklärte, er habe, um eine grundsätzliche Regelung zu treffen, seine Wertpapiere verkauft und bitte sie, den Erlös bei einer Warschauer Bank einzuzahlen. Bei seinen Besuchen sei er dann beweglicher, und sie könne sich des Kontos bedienen, falls sie einmal in Verlegenheit kommen sollte oder sich, wie jetzt, eine Reiseausstattung zulegen müsse.
»Aber ich kann doch nicht über dein Konto verfügen«, sagte Natascha scheinheilig.
»Selbstverständlich kannst du das«, widersprach er. »Du sollst es ja auf deinen Namen einrichten.«
Sie stellte sich verblüfft, obwohl die Sachlage klar war. Eine noblere Art, ihr Geld zuzuspielen, konnte es nicht geben. Es interessierte sie nur noch, um welchen Betrag es sich handelte. Um dies herauszubekommen heuchelte sie: »Hoffentlich wird man nicht stutzig, wenn ich ein Konto eröffne und gleich fünfhundert oder tausend Rubel einzahle.«
Er lächelte. »Man merkt, daß du in Gelddingen unerfahren bist. Kein Bankbeamter würde sich darüber Gedanken machen. Nicht einmal, wenn es sich um hohe Beträge handeln sollte. Du kannst aber unbesorgt sein: es sind nur viertausend Rubel.«
Nur! Natascha schloß für einen Moment die Augen. Weitere viertausend Rubel sollte sie erhalten? Und sie brauchte nicht einmal ausdrücklich dafür zu danken, da Pater Rochus ihr das Geld ja nicht geschenkt, sondern sie gebeten hatte, es auf ein Konto einzuzahlen, das auch ihm zur Verfügung stehen sollte.
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