Schakale Gottes
unsere Eltern verschleppt wurden, hat es das nicht mehr gegeben.«
»Das ist noch lange kein Grund, nachts mit einem Pater durch die Dunkelheit zu strolchen.«
»Wir sind nicht gestrolcht, sondern gegangen!« erboste sich Natascha. Sie war nahe daran, die Beherrschung zu verlieren.
Genau darauf wartete Roman. Er wollte seine Schwester in Rage bringen. Sie sollte die Kontrolle über sich selbst verlieren. Um jeden Preis wollte er herausfinden, was sie und Pater Rochus so verändert hatte nach Hause kommen lassen. »Also gut«, sagte er. »Dann seid ihr eben nicht gestrolcht, sondern gegangen. Wahrscheinlich Hand in Händchen.«
»Nein, Wange an Wange!« schrie ihn Natascha an. »Dazu fühlte ich mich verpflichtet. Ich bleibe nämlich nie etwas schuldig.«
»Behaupte jetzt nur noch, er habe dir ein Geschenk gemacht.«
»Hat er auch! Wenn du Näheres wissen willst, wende dich an Fedor. Der weiß Bescheid. Vor ihm habe ich keine Geheimnisse.«
Roman sah den Goldschmied an.
»Hack doch nicht so auf Natascha herum«, sagte Fedor fast bittend. »Sie tut nichts Unrechtes. Ich nähme nicht einmal Anstoß daran, wenn sie Pater Rochus noch weitere zwei Stunden durch die Nacht geführt hätte.«
»Kunststück, nachdem du viertausend Rubel von ihm bekommen hast.«
Der Goldschmied ließ sich nicht provozieren. Er erklärte vielmehr: »Offensichtlich nagt der Neid an dir und bringt dich auf die verrücktesten Ideen.«
»Bravo!« rief Natascha. »Neidisch ist er! Und damit er zerspringt vor Wut, soll er wissen, daß Pater Rochus mir einen Brillanten geschenkt hat.«
Roman wurde blaß. Babuschka blieb der Mund offenstehen. Fedor verdrehte die Augen, als wollte er sagen: Mußte das jetzt sein?
Natascha wurde unsicher. »Naja«, sagte Fedor, um zu retten, was noch zu retten war. »Pater Rochus hat ihr tatsächlich einen Brillanten geschenkt. Allerdings einen lächerlich kleinen. Fast ein Splitter. Er stammt aus einem Familienschmuckstück, das infolge einer Erbteilung auseinandergenommen werden mußte. Als Mönch wußte er nichts damit anzufangen. Ich soll ihn nun irgendwie verarbeiten. Das ist alles.«
Roman schlug auf den Tisch. »Und wenn der Brillant noch so klein ist, ich verbiete Natascha, ihn anzunehmen.«
Ihre Augen glühten. »Du hast mir keine Vorschriften zu machen!«
Babuschka kam ihr zu Hilfe. »Jetzt gehst du wirklich zu weit«, erklärte sie ihrem Neffen. »Man darf Pater Rochus nicht einfach unlautere Absichten unterstellen. Ich kann mich gut in seine Lage versetzen. Er hat zu Weihnachten ein kleines Geschenk machen wollen, und da ist ihm der Brillant aus dem Familienschmuck eingefallen. Wenn Fedor ihn nun verarbeitet, sehe ich nicht ein …«
»Ich dulde es einfach nicht!« unterbrach Roman die Tante mit hochrotem Kopf. »Es ist unmöglich, daß sich Natascha von einem fremden Mönch einen Brillanten schenken läßt!«
»Moment«, sagte Fedor mit erhobener Stimme. »Ich glaube, da habe ich noch ein entscheidendes Wörtchen mitzureden.«
»Du meinst, weil ihr ein Verhältnis miteinander habt?«
Der Goldschmied schüttelte den Kopf. »Mir kannst du mit nichts den Wind aus den Segeln nehmen. Dafür bin ich zu abgebrüht. Nimm also zur Kenntnis, daß ich nichts gegen die Annahme des Brillanten einzuwenden habe.«
Roman sprang auf. »Mit euch bin ich fertig. Ich packe meine Sachen und kehre schon morgen nach Krakau zurück.«
»Aber, Junge!« rief Babuschka weinerlich. »Das wirst du mir doch nicht antun.«
Er tätschelte ihre Wange. »Es muß sein, Babuschka. Hier bekomme ich Stacheln und fühle mich wie ein verkehrt eingerollter Igel: ich verletze mich an mir selbst.«
Ein ungutes Gefühl hatte Roman Górski bewogen, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die Gefahr zu bannen, die er für seine Schwester heraufziehen sah. Er erreichte jedoch das Gegenteil. Natascha besuchte Pater Rochus gleich am nächsten Morgen im Hotel und informierte ihn über das Rencontre, das sie gehabt hatte. Dabei ging sie mit der Wahrheit nicht gerade zimperlich um. Sie modellierte die Geschichte so, daß er den Eindruck gewinnen mußte, der ›Vetter‹ habe Babuschka auf Grund einer alten Familienschuld in der Hand und drohe ihr Schwierigkeiten zu bereiten, wenn sie sich von ›dem wildfremden Pater‹, wie er sich ausgedrückt habe, nicht trennen würde.
»Komm in den nächsten Tagen nicht mehr zu uns«, bat sie ihn, obwohl sie wußte, daß ihr Bruder Wort gehalten hatte und bereits abgereist war. Ihr ging es
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