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Schakale Gottes

Titel: Schakale Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bergius C.C.
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dadurch Peinlichkeiten erspart, und ihm werde nicht die Möglichkeit genommen, Babuschka weiterhin zu unterstützen. So habe er vorgehabt, ihr am Heiligen Abend unbemerkt ein Kuvert auf den Weihnachtstisch zu legen. Unter den gegebenen Umständen sei es aber wohl richtiger, Natascha den Umschlag mit der Bitte zu übergeben, ihn in einer ihr geeignet erscheinenden Form weiterzuleiten.
    Natascha war nicht sonderlich verwundert darüber gewesen, daß der Rubelregen anhielt. Sie hatte sich auch nicht geziert, das Geld anzunehmen, vielmehr Pater Rochus gesagt, er würde an der Art, wie Babuschka ihn am Abend begrüßen würde, schon merken, daß sie ihm dankbar sei.
    Etwas hilflos hatte er gefragt: »Und was mache ich mit dem Geschenk, das ich dir überreichen wollte?«
    »Das nehme ich mit und sehe es mir kurz vor dem Heiligen Abend an. Nein«, hatte sie sich plötzlich lebhaft korrigiert, »ich werde es mir genau in dem Augenblick ansehen, da du kommst.«
    Nichts hielt Natascha mehr zurück. Nur nüchterne Überlegungen leiteten sie noch. Der Rausch des Kaufens hatte sie erfaßt. Erstmals brauchte sie nicht jede Kopeke dreimal umzudrehen. Mit Grauen dachte sie an die kaum verstrichene Zeit zurück, da sie mit fünfundvierzig Rubeln im Monat hatte auskommen müssen. Fünfundvierzig Rubel! Soviel hatte sie vor zwei Tagen für ein einziges Paar Pariser Modell-Schuhe ausgegeben. Nun ja: ›Viel Geld, große Sünde‹, sagen die Russen. Wenig Geld verlangt aber größere Sünden. Um aus der Zone der Armut herauszukommen, war sie bereit, ihren Preis zu zahlen.
    Pater Rochus war beglückt von Nataschas Idee, sich sein Geschenk in dem Augenblick anzusehen, da er das Haus betreten würde. Sie jedoch war so gespannt auf den Inhalt des Päckchens, daß sie es daheim gleich öffnete. Der Schachtel nach hatte sie ein kleines Medaillon erwartet. Was ihr aber entgegenblitzte, war ein ungefaßter Diamant. Selbst als Laie erkannte sie, daß er sehr wertvoll sein mußte. Sie konnte es kaum erwarten, ihn von Fedor schätzen zu lassen.
    Der Goldschmied schnalzte mit der Zunge, als er den Brillanten erblickte. »Hast du den etwa von Pater Rochus?« fragte er verblüfft.
    »Von wem sonst? Sprich aber mit niemandem darüber. Roman spielt sonst verrückt.«
    »Diesmal würde ich ihm sogar zustimmen.«
    »Wieso?«
    »Na, hör mal!« Er zog eine Miniaturlupe aus seiner Westentasche. »Der Stein hat schätzungsweise drei Karat, stellt also ein kleines Vermögen dar. Und wie es scheint«, er blickte durch das Glas, »ist er lupenrein. ›Top Wesselton‹. Vielleicht sogar ›River‹.«
    »Was heißt das?«
    »Das sind die Bezeichnungen für ›feinstes Weiß‹. beziehungsweise für ›Blauweiß‹. Den Wert schätze ich auf drei- bis viertausend Rubel. Für eine Geliebte ein Prachtgeschenk.«
    Natascha stieg das Blut in den Kopf.
    Fedor sah es und lachte. »Hast du dich ihm hingegeben?«
    Eine schallende Ohrfeige quittierte seine Frechheit.
    Er schloß Natascha in die Arme. »Das sollte doch ein Scherz sein.«
    »Dann war es ein übler.«
    »Es wäre aber keiner mehr, wenn du es wirklich tun würdest. Komisch, was?«
    Natascha wurde unsicher. »Worauf willst du hinaus?«
    »Auf nichts. Du darfst dich nur nicht wundern, wenn einem angesichts eines solchen Brillanten Gedanken kommen, die dumm sein mögen, es vielleicht aber gar nicht sind. Auf alle Fälle wollte ich nicht auf ihnen herumkauen und hab' sie deshalb ausgespuckt. Das ist alles.«
    »Dann war es also kein Scherz.«
    »Doch. Oder habe ich etwa nicht gelacht?«
    »Aus dir werde ich nicht klug.«
    Er reichte ihr den Edelstein zurück.
    »Hast du Bedenken, daß ich ihn annehme?«
    »Ich heiße nicht Roman. Versteck ihn gut und gib ihn mir nach dem Fest. Ich werde ihn als Solitär fassen.«
    Natascha umarmte und küßte ihn.
    Am Nachmittag des ersten Feiertages unternahmen Natascha und Pater Rochus einen Spaziergang durch den am Hang des Weichselufers gelegenen Garten- und Parkgürtel der Stadt, der unmittelbar an die Ujazdower Allee grenzte. Nicht weit von Babuschkas Villa entfernt lag der Lazienki-Park, den König Stanislaw August Poniatowski geschaffen hatte.
    »Ihr wohnt im schönsten Viertel Warschaus«, sagte der Pauliner, als sie in den verschneiten Park eintraten, dessen schneebedeckte Bäume an die Landschaften russischer Maler erinnerten und dem grauen Wintertag ein märchenhaftes Gepräge gaben.
    »Babuschka war ja auch mal sehr vermögend«, betonte Natascha und sandte einen

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