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Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Titel: Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schumann , Heinz Wuschech
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beglückwünscht.
    Wahr ist ferner, dass Staatssekretär Alexander Schalck-Golodkowski 1989 ein monatliches Salär von 5.659 Mark bezog, davon trug das MfS 2.329 Mark, also reichlich vierzig Prozent.
    In seiner Erklärung, weshalb er geradezu panikartig sein Land verlassen habe, heißt es, er habe um sein Leben gefürchtet, fürchten müssen, als sich das MfS von ihm distanziert habe.
    Da steht Aussage gegen Aussage. Schalck behauptet, Ende November habe ihn Mielkes Nachfolger, Wolfgang Schwanitz, angerufen und ihm mitgeteilt, dass man nichts mehr für ihn tun könne. Nach Auskunft von Schwanitz habe aber nicht er angerufen, sondern Schalck ihn. Er wolle sich als Mitarbeiter des MfS outen, sich also dekonspirieren, weil er meinte, dass ihn diese Offenbarung schützen würde. Das hielt Schwanitz für keine so gute Idee, denn inzwischen stand das Ministerium für Staatssicherheit am Pranger, die Volkskammer hatte am 17. November nicht grundlos die Bildung eines Amtes für Nationale Sicherheit beschlossen und Schwanitz, bis dahin Mielkes Stellvertreter, zu dessen Chef berufen. Der öffentliche Unmut, nicht unwesentlich geschürt durch die Sprachverstärker der Bürgerbewegten und wohl auch der Dienste des Westens, führte schon nach vier Wochen zur Auflösung des AfNS, am 14. Dezember verfügte die Modrow-Regierung das Aus. Das heißt, in jener Zeit wäre es geradezu selbstmörderisch gewesen, wenn sich ein Staatssekretär mit offener Brust hingestellt und erklärt hätte: Ich bin Offizier der Staatssicherheit!
    Unabhängig von diesem Telefonat, das unterschiedlich von den beiden Beteiligten erinnert wird, hatte die Führung des MfS/AfNS beschlossen,
alle
Offiziere im besonderen Einsatz (OibE) – das waren in sicherheitsrelevanten Bereichen eingesetzte hauptamtliche Mitarbeiter des MfS mit einer zivilen Abdeckung – zu entpflichten. Das heißt, sie stillschweigend von ihrem konspirativen zweiten Arbeitsverhältnis zu entbinden, um ihnen die Möglichkeit zu geben, weiter unerkannt ihrer öffentlichen Profession nachzugehen. Aus dem doppelten Dienstverhältnis wurde also eins. Zu jener Zeit gab es rund dreitausend OibE im Inwie im Ausland. Mit allen, so hatte die Führung des Amtes beschlossen, sollte ein persönliches, kameradschaftliches Abschlussgespräch geführt werden, in dem für die oft jahrzehntelange Arbeit an der unsichtbaren Front gedankt und förmlich die Entpflichtung erklärt werden sollte.
    Zu Schalck ging befehlsgemäß und seiner Bedeutung angemessen Generalleutnant Günter Möller, Leiter der Hauptabteilung Kader und Schulung, kurz: der langjährige Kaderchef des Ministeriums. Möller habe ihm eingeschärft, in der Öffentlichkeit nichts über seine Verbindung zum MfS verlauten zu lassen, sagte Schalck später, was er als eine ebenso bedrohliche wie bizarre Forderung empfunden habe. Ob dies von dem zwei Jahre jüngeren Möller auch so gemeint gewesen war, kann man nicht mehr feststellen: Der gelernte Werkzeugbauer verstarb 2008. Aber es gab keinen logischen Grund, sich von Schalck zu distanzieren und den Mantel des Schweigens über diese Verbindung zu breiten außer diesem: ihn zu schützen. Weshalb sollte der Staatssekretär durch seine Dekonspiration sich in Gefahr begeben?
    Das war reichlich naiv gedacht, gewiss, aber niemand war sich damals der ganzen Wucht der anrollenden Aufarbeitungslawine bewusst, die sich in Bewegung gesetzt hatte.
    Allerdings galt auch in Geheimdienstkreisen schon immer: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
    Und davon lagen im Keller der »Schlüsselburg« rund zwanzig Tonnen, eine Reserve, die Schalck angelegt hatte – um damit im Ernstfall eine Zahlungsunfähigkeit der DDR abzuwenden.
    Dieses Gold war im Herbst 1988 erworben und in zwei Tranchen mit rund einer halben Milliarde D-Mark bezahlt worden. Am 8. Dezember 1989 wurde es an die Staatsbank der DDR überführt, auch physisch, dem Vernehmen nach soll es von der Wallstraße wenige Hundert Meter weiter heimlich in die unterirdischen Tresorräume der vormaligen Reichsbank, bis vor wenigen Tagen noch Sitz der Parteiführung, verbracht worden sein. Am 9. März 1990 berichtete der Chef der Volkskammerkommission zur Untersuchung von Amtsmissbrauch und Korruption über die Existenz von insgesamt 21,7 Tonnen Gold aus dem KoKo-Besitz. (Nach dem gegenwärtigen Goldpreis von rund 50 Dollar für ein Gramm bedeutete das heute 1,085 Milliarden Dollar).
    1990 verlieren sich die Spuren des Edelmetalls.
    Es taucht in keinem Dokument

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