Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)
auf, sein Verbleib liegt im Nebel der deutschen Einheit.
Unterhändler
Die Beziehungen zwischen der DDR und der BRD wurden offiziell und inoffiziell gestaltet. Die geheimen Kontakte und Gespräche waren nicht nur dem Kalten Krieg geschuldet, sondern auch dem Misstrauen der jeweiligen Führungsmacht. Moskau und Washington betrachteten ihre Verbündeten eher als Vasallen und sprachen lieber über deren Köpfe und hinter ihrem Rücken miteinander über deutsche Fragen. Wobei diese Neigung besonders in Moskau ausgeprägt war, was dazu führte, dass in Bonn gelegentlich die Frage gestellt (und auch beantwortet) wurde: Warum mit Schmidtchen reden, gehen wir doch lieber gleich zu Schmidt …
»Schmidt« war Leonid Breshnew, von 1964 bis zu seinem Tode 1982 Generalsekretär des ZK der KPdSU, sowie seine Nachfolger Andropow, Tschernenko und, seit 1985, Gorbatschow. Sie alle wachten argwöhnisch über die deutsch-deutschen Kontakte, was sich insbesondere in den wiederholten Absagen einer Staatsvisite von Honecker niederschlug. Dieser war Ende 1981 von Bundeskanzler Helmut Schmidt zu einem offiziellen Besuch in die Bundesrepublik eingeladen worden; sein Nachfolger Helmut Kohl erneuerte diese Einladung wiederholt, aber Moskau untersagte mehrfach Honecker zu reisen – auch Gorbatschow tat dies. Über dessen Auflassung setzte sich 1987 Honecker schließlich hinweg und flog nach Bonn. Sein Vorgänger Walter Ulbricht – das war nun wirklich Ironie der Weltgeschichte – war aufgrund der gleichen selbstbewussten Eigenständigkeit durch ein von Honecker initiiertes Schreiben des Politbüros an Breshnew gestürzt worden. »Nicht nur in der Innenpolitik, sondern auch in unserer Politik
gegenüber der BRD
verfolgt Genosse Walter Ulbricht eine persönliche Linie, an der er starr festhält. Damit wird ständig der zuverlässige Ablauf des zwischen der KPdSU und der SED koordinierten Vorgehens und der getroffenen Vereinbarungen gegenüber der BRD gestört«, hieß es in jenem Anschwärzer-Brief vom 21. Januar 1971.
Bekanntlich hatten sich erstmals ein DDR-Ministerpräsident und ein BRD-Kanzler im März 1970 in Erfurt getroffen, in Kassel kamen zwei Monate später Willi Stoph und Willy Brandt erneut zu einem deutsch-deutschen Gipfel zusammen, was offenkundig der östlichen Führungsmacht missfiel und ein Grund war, Walter Ulbricht abzulösen.
Das erklärt, weshalb die DDR später lieber inoffiziell mit der BRD über verschiedene Kanäle in Kontakt trat. Einer der wichtigen Unterhändler hieß Alexander Schalck-Golodkowski.
Sein diesbezüglich erster Einsatz erfolgte 1966 auf der Herbstmesse in Leipzig. Diese fand wie stets im September statt. In Bonn deutete sich eine Regierungskrise an – die von Kanzler Ludwig Erhard (CDU) geführte Koalition aus Union und FDP drohte daran zu scheitern, dass die Liberalen einer geplanten Steuererhöhung, mit der das Haushaltsdefizit und die wachsende Staatsverschuldung eingedämmt werden sollte, die Zustimmung verweigerte. So sollte es denn auch kommen. Im Oktober verließen die FDP-Minister das Kabinett, im Dezember übernahm eine Große Koalition aus CDU/CSU und SPD die Regierungsgeschäfte. Aber auch außenpolitisch war die Bonner Politik in eine Sackgasse geraten: Die sture Blockadehaltung gegenüber der DDR und dem Ostblock war nicht mehr durchzuhalten. Die Großwetterlage begann sich nicht zuletzt durch die Herstellung eines annähernden militärstrategischen Gleichgewichts zwischen den Großmächten zu ändern: Die Zeichen standen auf friedliche Koexistenz und nicht auf aggressive Konfrontation.
In dieser Situation fragte, betont beiläufig, ein Westberliner Unternehmer mit guten Kontakten zum von Willy Brandt geführten Senat, ob Schalck sich nicht einmal mit Wirtschaftssenator Dr. Karl König treffen wolle. (Der SPD-Politiker und Wirtschaftswissenschaftler König, das nur nebenbei, war bis 1975 Berliner Wirtschaftssenator. Als Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung erlitt er 1979 auf der Rückfahrt von der Leipziger Frühjahrsmesse nach Westberlin einen Herzinfarkt. Nicht grundlos würdigte der Berliner Senat in einem Nachruf als »größte Leistung« des 68-Jährigen, dass es ihm gelungen sei, »die Isolierung, in die [West-] Berlin hinzugeraten drohte, aufzubrechen«. Er habe »die wirtschaftliche Verbindung mit dem Osten – insbesondere der DDR – verstärkt und ausgebaut. […] Karl König hat sich mit großer Kraft dieser Ausweitung des Handels und der
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