Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
Vom Netzwerk:
weiß.« Aus der Stimme des Turkmenen war ein Lächeln herauszuhören. »Und jetzt schlaf, Nemez.«
    Leonard hielt für einen Moment den Atem an. Nemez, so hatte Katja ihn immer genannt. Es war der russische Spitzname für einen Deutschen.
    |278| Plötzlich war ihr Gesicht so dicht vor ihm, dass er nur die Lippen schürzen musste, um sie zu küssen.
    Aslan hatte recht: Für die Rettung der Familie war kein Preis zu hoch.

[ Menü ]
    22
    Juni 2008, Tunguska – Alte Rechnungen
    Makar Charitonowitsch Schirov warf seiner Frau einen wissenden Blick zu, als Lebenovs Männer ohne Ankündigung den Vorhang zu seiner Hütte zur Seite schoben, um ihn abzuholen und in das Camp des kaukasischen Ölbarons zu bringen.
    »Kommandant Lebenov erwartet dich in Sergej Bashtiris Lager oben am Chekosee, Alterchen.« Nicht nur die Anrede des jungen Wachmanns war respektlos, auch dessen Tonfall verriet, dass er dem Stammesführer der Ewenken keine Achtung entgegenbrachte.
    Schirov reagierte nicht sofort, sondern schenkte sich aus dem Samowar einen Tee nach. Dann setzte er sich auf das ausladende Sofa und schlürfte das golden schimmernde Gebräu in aller Ruhe. Erst nachdem er das Glas wieder abgesetzt hatte, ergriff er das Wort.
    »Darf ich zunächst den Grund dieser überaus freundlichen Einladung erfahren?« Das faltige Gesicht des Ewenken verzog sich zu einem aufgesetzten Lächeln.
    Der ältere der beiden Soldaten räusperte sich und nahm beinahe Haltung an, während der jüngere Schirov ratlos anglotzte.
    »Soweit uns bekannt ist, sucht man immer noch nach dem Entführer der deutschen Geophysikerin. Außerdem haben sich in den vergangenen Tagen drei mysteriöse Todesfälle im Camp ereignet. Unser Kommandant will, dass du ihm Rede und Antwort stehst und ihm hilfst, die Ursachen zu finden.«
    Schirov klopfte sich auf die Schenkel und erhob sich wie in Zeitlupe. Sein eindringlicher Blick traf erneut auf die ängstlichen Augen seiner Frau, was nichts anderes zu bedeuten hatte, als dass sie ihren gemeinsamen Enkel umgehend warnen sollte. Es ging nicht nur darum, dass Leonid sich in Vanavara und Umgebung nicht mehr blicken |279| ließ. Am besten würde er für eine Weile ganz aus der Gegend verschwinden – so lange bis oben am Cheko wieder Ruhe eingekehrt war.
    Vielleicht war es gut, wenn der Junge nach Krasnojarsk ging – dort hatte Schirov ein paar zuverlässige Freunde – oder nach Jakutsk, wo Schirovs unverheiratete Schwester als Köchin in einem abgelegenen christlich-orthodoxen Kloster arbeitete. Die frommen Brüder waren für den Zuwachs junger Männer dankbar; selbst wenn sie sich nicht für einen endgültigen Beitritt als Mönch entschieden, boten sie dem Orden wenigstens Unterstützung bei einfachen und schweren Arbeiten.
    Makar Schirov konnte sich indes nicht vorstellen, welches Interesse Lebenov an seinem Erscheinen am Chekosee hatte und warum er nicht selbst nach Vanavara kam, um mit ihm, dem Stammesältesten, vor Ort und vielleicht sogar im Beisein des Bürgermeisters zu sprechen.
    Stoisch ertrug er das Rumpeln des Geländewagens, während er auf dem Rücksitz saß und ihn bei jedem Schlagloch sämtliche Knochen schmerzten. Das ungute Gefühl, dass die Sache einen gewaltigen Haken hatte, wollte ihn dabei nicht verlassen.
    Als sie das Camp nach gut anderthalb Stunden bei strahlendem Sonnenschein erreichten, fühlte er sich in seinen Befürchtungen bestätigt, als ihm zunächst die deutsche Geophysikerin über den Weg lief. Sie befand sich in Begleitung eines hochgewachsenen, blonden Mannes und strich sich nervös ein paar dunkelblonde Haarsträhnen aus dem Gesicht, während sie ihm entgegenging. Für einen Moment überkam Schirov die Furcht, sie könne stehen bleiben und ihn auf ihre gemeinsame Unterhaltung vor ein paar Tagen ansprechen. Doch sie ging ohne Gruß an ihm vorbei und sah ihm dabei direkt in die Augen – lange genug, um ihn erkennen zu lassen, dass sie nicht gegen ihn spielte und dass sie Leonid inzwischen begegnet sein musste.
     
    Gemeinsam mit Theisen machte sich Viktoria auf den Weg in den kleinen provisorischen Laden des Kasachen. Wie beinahe jeden Tag wollten sie sich mit ein paar Flaschen Wasser eindecken. Dabei war ihr nicht entgangen, dass man Leonids Großvater geholt hatte. Flankiert von zwei jungen Wachleuten wurde er zu Bashtiris Luxushütte geleitet – nicht wie ein Besucher, dem man den nötigen Respekt entgegenbrachte, |280| sondern wie ein Gefangener, dem gar nichts anderes übrigblieb, als den

Weitere Kostenlose Bücher