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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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ausfindig zu machen war nicht so schwierig wie gedacht. Jedoch erschien die Reise zu ihm wie eine Höllenfahrt. Ein heftiger Schneesturm erschütterte die Region und tötete auf geheimnisvolle Weise sechs von Lobows Soldaten, die sich unter Leitung eines Kosakenkommandeurs mit zehn weiteren Kameraden vom Lager aus auf den Weg gemacht hatten. Zeugen berichteten, sie hätten die Orientierung verloren und sich im Schneegestöber gegenseitig erschossen, auf halbem Weg, bevor sie ihr Ziel erreicht hatten.
    Maganhir empfing die verbliebene Truppe mit offenen Armen, |326| nachdem er erfahren hatte, in wessen Auftrag sie unterwegs waren und was sie von ihm begehrten. Er gab Tschutschana die Schuld an den Wetterkapriolen und an dem merkwürdigen Tod der Soldaten. Der verfeindete Schamane drücke damit die Wut über die Verhaftung seines Sohnes aus, nur er, Maganhir, könne etwas gegen Tschutschanas finstere Machenschaften ausrichten, verkündete er großspurig.
    Eine Woche später erschien Maganhir mit kleinem Gefolge im Lager und wurde Weinberg und seinen Kollegen vorgestellt. Im Gegensatz zu Tschutschana war er laut und kleinwüchsig, nur seine schräg stehenden Äuglein leuchteten genauso hinterlistig. Auch seine Kleidung unterschied sich kaum von der Tschutschanas. Allerdings zierte keine Wolfsschnauze seinen seltsamen Hut, sondern ein Rentiergeweih.
    Aslan tat sich schwer, ihn auf seine außergewöhnlichen Fähigkeiten anzusprechen. Nachdem er ihm genau erklärt hatte, worauf seine Hilfe hinauslaufen sollte, begann der Schamane lauthals zu lachen. Für ihn stelle es keine größere Herausforderung dar, eine elektrische Ladung von größeren Ausmaßen zu provozieren, prahlte er. Blitze zu erzeugen gehöre sozusagen zum Repertoire eines wahren Schamanen. Man müsse nur mit Gott Ogdy und den richtigen Geistern im Bunde stehen. Ob es tatsächlich die richtigen waren, bezweifelte nicht nur Leonard. Auch Aslan hatte mit angespannter Miene beobachtet, wie Maganhir bei einer Einladung des Kommandeurs am folgenden Abend gleich mehrere Flaschen Wodka in sich hineinkippte, als ob es Wasser wäre. Anders als die Kosaken sank er danach sturzbesoffen danieder und fiel regelrecht ins Koma.
    Am nächsten Vormittag sollte der Schamane die erste Kostprobe seines Könnens liefern. Maganhir machte nicht den Eindruck, als ob ihm der Alkoholexzess etwas ausgemacht hätte. Sein Blick war stolz, als er aufrecht, gefolgt von ein paar Getreuen und einer kleinen Gruppe von russischen Beobachtern, durch das Lager schritt. An einem abgeschiedenen Platz hinter dem Kraftwerk hatte man auf einer Felsnase eine Zielvorrichtung eingezeichnet – fünf runde Kreise in weißer Farbe, die wegen der Kälte sofort zu Eis erstarrt war. Der Schamane begab sich mit Trommelschlägen und Tanzeinlagen vor der Lagerleitung und den anwesenden Wissenschaftlern in Trance, nachdem er aus einer hölzernen Flasche einen speziellen Trunk zu sich genommen hatte.
    |327| »Bestimmt ist es Hühnersuppe«, frotzelte Pjotr. »Das hat meine Mutter mir immer gegeben, wenn ich mit meiner Studentenverbindung mal wieder über die Stränge geschlagen hatte. Es bewirkt Wunder.« Aslan runzelte unter seiner schwarzen Fellmütze die Stirn. »Sei still«, zischte er. »Wenn es nicht klappt, sind wir geliefert.«
    Kommandeur Lobow beobachtete die Veränderung in den Gesichtszügen des Schamanen mit Spannung. Dass ihm die Sache nicht ganz geheuer erschien, konnte man daran erkennen, dass er doppelte Wachen hatte aufstellen lassen. Unvermittelt hörten die schamanischen Gesänge auf. Maganhir stellte sich breitbeinig mit dem Rücken zu seinem Publikum. Für einen Moment wirkte er wie versteinert.
    Leonard und seine Kameraden hatten unentwegt den Himmel beobachtet, weil sie damit rechneten, dass irgendwo Gewitterwolken am klaren Januarhimmel aufziehen würden. Nirgendwo war jedoch ein Wölkchen zu sehen. Im Gegenteil, die glitzernde Morgensonne kroch über die Bergspitzen und blendete sie, als Maganhir ein keuchendes Geräusch von sich gab.
    Ein ohrenbetäubender Knall zerriss die morgendliche Stille und hallte von den Bergwänden wider. Sämtliche Anwesenden zuckten zusammen und gingen sofort in Deckung, selbst die Soldaten, die eigentlich für den Schutz des Kommandeurs abgestellt waren. Steine sprangen auf, und ein scharfer, heißer Wind brachte den Schnee an der Stelle zum Schmelzen, wo etwas aufgetroffen war, das man im Entferntesten mit einer großen wabernden Seifenblase hätte

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