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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Wahl. Ich für meinen Teil wünsche euch alles Gute und dass niemals eintritt, was ich befürchte.«
    »Wovon redest du?«
    »Ach, du weißt es noch gar nicht?« Ihre Stimme klang spitz. »Na, dann will ich dir die Überraschung nicht nehmen.« Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich um und hastete davon.
    Eine Ahnung beschlich Leonard. Sein Blick wanderte hinaus zu den Jämschtschiks. Schon am Tor hatte er sich die Frage gestellt, warum sie einen Tag zu früh angekommen waren.
    Er beschleunigte seine Schritte, lief vorbei an der Baracke, in der er mit seinen drei Kameraden wohnte und schlief. Vorbei an einem Trupp Soldaten, die sich in der Wachablösung befanden. Vorbei an Wäscherinnen, die mit Weidenkörben aus der Waschkaue strömten.
    |332| Sein Blick galt einzig der Offiziersbaracke, die direkt an die Konstruktionshalle angrenzte und in der sich das Büro von Lobow befand.
    In seiner Aufregung übersah er den Wachsoldaten vor der Tür und wäre beinahe, ohne anzuklopfen, in das Zimmer des Kommandeurs gestürmt. Der junge Soldat reagierte schnell und packte ihn am Arm seines Fellmantels, bevor er die Tür aufstoßen konnte.
    »Bist du angemeldet?« An die Respektlosigkeit der Rekruten hatte Leonard sich längst gewöhnt, nicht aber, dass man ihn tätlich angriff. Er entwand sich dem Griff des Wachmanns und stieß ihn zu Boden. Dann stürmte er in das Büro des Obersten.
    »Wo ist sie?«, rief er.
    Lobow sah ihn überrascht an, während sein Wachmann fluchend und mit gezogener Waffe hinter Leonard herpolterte, um ihn aufzuhalten. »Können Sie sich nicht benehmen, meine Herren? Ich habe Damenbesuch, da wird man doch wohl ein Mindestmaß an Etikette erwarten dürfen!«
    Der Wachmann schlug die Hacken zusammen und murmelte eine Entschuldigung.
    Leonard kümmerte sich weder um Lobow noch um den Soldaten. Sie saß in einer Ecke hinter der Tür, direkt unter dem Kleiderhaken, an dem Lobow gewöhnlich seinen Mantel aufhängte. Ihr tizianrotes Haar hatte sie zu einem strengen Knoten hochgesteckt. Schmal war sie geworden, aber noch genauso hübsch, wie er sie Tag für Tag in seinem Herzen trug. Für einen Moment begegneten sich ihre Blicke, und als er das kleine Mädchen sah, das von Kopf bis Fuß eingehüllt in einen grauen Kaninchenpelz neben ihr auf dem Boden kauerte, hatte er das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
    »Katja«, flüsterte er mit erstickter Stimme.
    Sie war aufgestanden und hatte den Mantel ausgezogen, um ihn über einen Stuhl zu legen. Darunter trug sie ein schlichtes blaues Wollkleid, das ihre Schönheit auf wunderbare Weise zur Geltung brachte. Vorsichtig ging sie auf ihn zu und hob ihre schmale Hand, um über seinen gestutzten Bart zu streicheln, als ob sie prüfen wollte, dass er keine Erscheinung war. Tränen füllten ihre Augen. Er hatte sie viel größer in Erinnerung, und als sie in seinen Armen versank, glaubte er für einen Moment, sein Herz würde aussetzen. Sie schluchzte hemmungslos in |333| sein grobes Bärenfell hinein, und er hielt sie hilflos im Arm, bemüht, weder vor Lobow noch vor dem Kind zu weinen, das ihn aus großen blauen Augen fragend anschaute.
    »Ich habe beschlossen, Ihnen und Ihrer Familie das Zimmer im Kontor zu überlassen«, erhob Lobow seine befehlsgewohnte Stimme. »Sie wissen schon, dort, wo man Sie während Ihrer Krankheit untergebracht hat. Ihre Frau wird eine Arbeit in der Kantine erhalten. Das Kind bringen wir tagsüber in der örtlichen Erziehungsanstalt unter.«
    Ihre Frau! Erst jetzt realisierte Leonard, dass Lobow sie kurzerhand zu Mann und Frau erklärt hatte, obwohl der Kommandant Katja all die Jahre zuvor immer als seine kleine Freundin bezeichnet hatte.
    »Ich hoffe, die Anwesenheit Ihrer Familie wird Sie in Ihrer Arbeit für den Zaren weiterhin beflügeln.«
    Leonard nickte wie betäubt. Soviel Glück auf einmal hatte er zuletzt an seinem zehnten Geburtstag empfunden, als sein Vater ihm eine kleine Dampfmaschine geschenkt hatte.
    Zusammen mit dem Kind gingen sie zu Leonards Baracke. Immer noch sprachlos hielt er die Kleine an der Hand. »Ihr Name ist Viktoria.« Der Satz hallte in seinen Gedanken nach. Für einen Moment war er versucht zu sagen »Ich weiß«, aber dann verzichtete er darauf, weil es einer längeren Erklärung bedurft hätte, warum er dieses Wissen besaß.
    »Die Kleine braucht eine heiße Milch«, sagte Katja. »Sie ist noch ganz durchgefroren von der langen Fahrt.« Leonard nickte stumm und steuerte auf die

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