Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska
an.
»Selbst wenn ich es könnte«, erwiderte er mit fester Stimme, »es käme mir nicht in den Sinn, eine solche Fähigkeit anzuwenden.«
»Hast du schon einmal jemanden getötet?« Viktoria bereute die Frage bereits, noch bevor sie ausgesprochen war.
Leonid warf ihr einen langen, nachdenklichen Blick zu, während der Helikopter ruhig durch die Nacht flog.
»Wenn du es genau wissen willst. Ja, auch mich haben die Dämonen bereits heimgesucht. Aber es war mir eine Lehre, es niemals wieder zu tun. Sie fressen deine Seele, Stück für Stück, wenn du dich erst einmal mit ihnen eingelassen hast.«
Sergej Bashtiri verging beinahe vor Angst, obwohl ihm immer noch drei seiner Bodyguards zur Verfügung standen. Die plötzliche Finsternis, der Geruch von Blut und all die Toten waren nichts für sein verweichlichtes Gemüt. Auch wenn er schon unzählige Male den Tod eines anderen Menschen befohlen hatte, war es etwas ganz anderes, wenn es einen selbst zu erwischen drohte.
|383| Akim Rebrov, der Anführer von Lebenovs Truppe, kam viel zu spät aus seiner Baracke gestürmt. Er hatte den Angriff schlichtweg verschlafen und stieß ein paar unkontrollierte Flüche aus, als er im Lichtkegel seiner Taschenlampe die Leiche seines Chefs inspizierte. Lebenov war tot, wie der einzige noch vor Ort befindliche Sanitäter nüchtern feststellte. Die Kugel hatte seinen Schädel aufgeschlagen wie ein rohes Ei. Ein Soldat lag erstochen am Boden. Beunruhigt ließ Rebrov nach dem Kameraden suchen, der zusammen mit dem getöteten Soldaten Wache geschoben hatte, doch der Mann war nirgends zu finden.
»Was ist mit dem Kerl?«, fragte er und deutete auf Kolja, der ebenfalls leblos am Boden lag. Die Brust des toten Russen war durchlöchert; eine riesige Blutlache hatte den Boden durchtränkt.
»Keine Ahnung«, erwiderte einer von Bashtiris Leuten. »Er kam aus der Gefangenenbaracke herausgelaufen und eröffnete das Feuer auf Kommandant Lebenov, dann wurde er von euren Leuten erschossen. Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist. Er war als Geländeführer für die Wissenschaftler engagiert worden. Niemand hätte ihm so etwas zugetraut.«
»Zieh ihm die Kleider aus und untersucht sein Zimmer.« Bashtiri riss das Kommando an sich, obwohl er es eigentlich nicht gewohnt war, lautstark Befehle zu erteilen. Für solche Dinge beschäftigte er seine Leute. »Ich will, dass man mir jede Auffälligkeit meldet.« Beiläufig musterte er die drei russischen Studenten, die in Abwesenheit von Professor Olguth im Camp zurückgeblieben waren und nun zitternd und mit verschränkten Armen am Rand des Geschehens standen und überaus verloren wirkten.
»Wisst ihr Näheres über ihn?«, blaffte Bashtiri sie an.
Stumm schüttelten sie den Kopf.
»Er verstand was vom Feiern«, stotterte einer der jungen Männer. »Er hatte immer die neusten Musik-CDs auf Lager, und wir haben manchmal Karten gespielt.«
»Weiß jemand, wer das Stromkabel zerschossen hat?« Die Stimme des Oligarchen hatte einen scharfen Unterton angenommen.
»Ich bin mir sicher, dass ich eine alte Frau gesehen habe.« Einer seiner Schergen führte den Sucher der LED-Leuchte über den gestampften Boden. »Sie hatte eine Makarov.«
»Ja«, bestätigte ein Zweiter, »es war die Deutsche, ich habe sie genau |384| gesehen. Sie war es auch, die sich mit dem Ewenken aus dem Staub gemacht hat.«
»Was soll der Unsinn?« Bashtiri spürte Wut in sich aufsteigen. »Die Deutsche ist nicht alt, und wie sollte sie an eine Waffe gekommen sein?« Er hatte selbst für einen Moment geglaubt, sie gesehen zu haben, doch dann hatte er gemeint zu halluzinieren, weil er es für unmöglich hielt, dass sie zurückgekommen war.
»Ich habe sie trotzdem gesehen«, bestätigte Fjodor leidenschaftlich. »Sie saß im Cockpit, als der Ewenke den Helikopter gestartet hat.«
Plötzlich fuhr der Oligarch erschreckt zurück, als sich direkt vor seinen Augen zwei große pechschwarze Rabenvögel mit kräftigen Flügelschlägen in die mondlose Nacht erhoben.
»Was war das?«, fragte Bashtiri erschrocken und leuchtete dem Söldner vor ihm direkt ins Gesicht.
»Attilo ist tot.« Einer seiner Bodyguards kam herangestürmt, um die nächste Hiobsbotschaft zu verkünden.
»Verdammt!« Bashtiri wirkte erschüttert. »Funktioniert das Satellitentelefon?« Seine Stimme klang hektisch.
»Leider nein«, meldete der Butler. »Die Batterien sind leer, und zu allem Überfluss ist der Generator ausgefallen. Er lässt sich nicht wieder
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