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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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sein Gepäck in der guten Stube ab. Mit einer gewissen Dankbarkeit im Herzen nahm er die frisch gewaschene Wäsche aus einem großen Lederrucksack heraus und legte sie nacheinander auf sein selbst zusammengezimmertes Birkenholzbett, das überfrachtet mit |90| verschiedenen Fellen und Kissen eine rustikale Gemütlichkeit verbreitete. Die Handtücher und Unterhosen dufteten wie immer nach der Waschseife seiner Babuschka und erinnerten ihn augenblicklich an seine Jugend, die er bis zu seinem fünfzehnten Lebensjahr bei seinen Großeltern verbringen durfte. Das war, bevor ihn sein ewig betrunkener Vater nach Krasnojarsk verschleppt hatte, weit genug weg von der ländlichen Idylle, hinein in die Slums der Kohle- und Stahlfabriken, weil er ihm zeigen wollte, wie hart das Leben sein konnte.
    Mit Schaudern erinnerte sich Leonid an jene Zeit, die ihn erst dazu gebracht hatte, sich als Rekrut beim Militär zu melden. Ein Umstand, der für sich selbst sprach, wenn man wusste, wie rau und brutal es unter russischen Soldaten zuging. Erst recht für ein Halbblut, wie ihn sein Vater des Öfteren verächtlich genannt hatte, weil er nicht nur das tungusische Blut eines ehemals verfeindeten Stammes, sondern zu allem Übel auch noch deutsches Blut in sich trug. Dabei hätte sein Vater es eigentlich besser wissen müssen, als er im Überschwang der Gefühle eine Frau aus einer ehemals verhassten Sippe wählte und ihr gleich neun Bastarde zeugte, wie er die Kinder später verächtlich bezeichnete, nachdem acht von ihnen gestorben waren. Warum Leonids Großeltern und auch seine Mutter dieser keinesfalls glücklichen Ehe überhaupt zugestimmt hatten, blieb Leonid bis heute ein Rätsel.
    Bevor Leonid sich aufmachte, um den Auftrag seines Großvaters auszuführen, packte er sich noch etwas geräucherten Fisch, einen Beutel mit Brot und eine Wasserflasche in seinen Rucksack ein. Es konnte eine Weile dauern, bis er in den Besitz brauchbarer Informationen über Bashtiri und die wahren Absichten der deutsch-russischen Expedition gelangte. Bashtiri war kein Wohltäter und erst recht kein Geldverschwender. Wenn er in etwas investierte, musste weit mehr dabei herausspringen, als er dafür bezahlt hatte, sonst ließ er sich gar nicht erst darauf ein. Dass er dabei – wenn es sein musste – sogar über Leichen ging, wusste Leonid nur zu gut aus eigener Erfahrung. Für sich hatte er gehofft, diesem Dämon nie wieder begegnen zu müssen. Doch der skrupellose Kaukasier glich einem achtarmigen Kraken, der sich überall dort festsaugte, wo es etwas zu holen gab. Eigentlich hätte Leonid ahnen können, dass ausgerechnet Sibirien mit seinen reichen |91| Bodenschätzen der unsicherste Ort war, wenn man Typen wie Bashtiri aus dem Weg gehen wollte.
    Ajaci lauerte mit sehnsüchtigem Blick auf ein paar getrocknete Rentierstücke, die Leonid mit schnalzender Zunge einem geschlossenen Korb entnahm.
    »Čüčilǖlnal!«, rief er lachend – was soviel bedeutete wie »Mach Männchen!« Ajaci, dem die tungusische Sprache von Geburt an vertraut war, ließ sich nicht lange bitten und tänzelte sekundenlang auf seinen Hinterpfoten. Erst als seine Mühe mit einem zähen Stück Fleisch belohnt wurde, sackte er in sich zusammen und schenkte seine ganze Aufmerksamkeit der ledrigen Köstlichkeit, die für ihn das reinste Festmahl zu sein schien. Sein Herr schmunzelte zufrieden, während er seinem vierbeinigen Gefährten beim Kauen zusah.
    Im Hinausgehen steckte sich Leonid selbst noch eine Handvoll Waldfrüchte in den Mund, die er auf dem Weg hierher gesammelt hatte. In einer Lederscheide an seinem Gürtel befestigt, befand sich zu seinem eigenen Schutz ein großes Messer, mit dem man im Notfall sogar einen Bären erlegen konnte.
    Mit Schwung schulterte er seinen Rucksack, der neben dem Proviant auch ein paar geheimnisvolle Gegenstände enthielt, die nicht nur Jagdglück, sondern auch körperliche Unversehrtheit versprachen. Nachdem er die Hütte verlassen hatte, verriegelte er die Tür und machte sich leise pfeifend auf den Weg. Hirku blieb in einem geschlossenen Verschlag zurück, den Leonid an die Hütte angebaut hatte, um das Tier vor Angriffen von Wildtieren zu schützen.
    Ajaci war jedoch nicht bereit zurückzubleiben. Er folgte seinem Herrn auf Schritt und Tritt. Notfalls würde er mit ihm in die Hölle gehen, obwohl Leonid fest entschlossen war, nie wieder an einen solchen Ort zurückzukehren.
    Die Sonne schien warm, doch seltsam genug war kein einziger Vogel zu

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