Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska
zum Teil noch luftdicht in Alu-Kisten verpackt, und nun trieben sie herrenlos am Eingang des Lagers zwischen Büschen und Bäumen umher.
Zur Überraschung aller zog sich das Wasser so rasch zurück, wie es gekommen war. Die Wellen, die noch ans Ufer spülten, verloren schnell an Kraft.
Wie ein Lotse in seinem Ausguck saß Kolja im Baum und starrte ungläubig auf den See und all das Chaos, das entstanden war. Über ihm leuchtete ein azurblauer Himmel, und die Sonne schien, als wenn nichts geschehen wäre.
|98| Doktor Parlowa, die auf rätselhafte Weise von der Überflutung unbehelligt geblieben war, fand als Erste ihre Sprache wieder. Wie ein General brüllte sie unentwegt Anweisungen, während sie in trockenen Jeans und Gummistiefeln durch die zurückweichende Flut watete. Je nachdem wohin die Studenten geflohen waren, forderte Parlowa sie auf, schleunigst ihren sicheren Hort zu verlassen, um zu helfen. Verletzte musste geborgen werden, und in einer ersten Bestandsaufnahme war festzustellen, ob niemand ertrunken war.
Kolja half den zitternden Mädchen vom Baum. Gemeinsam liefen sie zum Satellitenmast hin, wo Professor Rodius und Professor Olguth völlig erschöpft in einer riesigen Pfütze saßen. Während Rodius noch eine Weile benötigte, um sich zu erholen, stellte sich Olguth mit Koljas Hilfe auf seine wackeligen Beine und schaute umher.
Ein penetranter Geruch nach Moder und Fisch lag in der Luft.
»Was zum Teufel, Herr Professor, war das?«, fragte Kolja atemlos.
»Gas«, gab Olguth warnend zurück, während seine ganze Sorge offenbar dem Team galt, das sich noch bis vor gut zehn Minuten auf dem See befunden hatte.
»Machen Sie Boote klar, Kolja, wir müssen auf den See hinaus, um nach Überlebenden zu suchen. Und sagen sie den anderen, sie dürfen einstweilen kein Feuer entzünden!«
Der Dämon hatte sich boshaft schimpfend zurückgezogen, und Leonids Rückkehr in die materielle Welt war schmerzhaft – jedenfalls empfand er es so, als er, immer noch auf dem Mädchen liegend, in die Sonne blinzelte, wie ein Neugeborenes, das zum ersten Mal das Licht der Welt erblickt. Sein Schützling begann augenblicklich unter ihm zu husten.
Mit einem schmatzenden Geräusch löste er sich rasch von der jungen Frau und zog sein halbsteifes Glied aus ihr heraus.
Auf allen vieren kroch er um sie herum und ging vor ihrem Oberkörper auf die Knie. Behutsam nahm er sie bei den Schultern und stützte mit einer Hand ihren Kopf, um sie vorsichtig an seine Brust zu drücken.
Die unbekannte Taucherin hustete so heftig, dass Leonid für einen Moment das Gefühl hatte, als käme die halbe Lunge ans Tageslicht. Doch es war nur Wasser und Schleim und schließlich ein wenig Blut.
|99| In einem verwirrenden Gefühl von Zärtlichkeit, das ihn regelrecht überraschte, küsste er ihren Scheitel und streichelte ihr über die Wange. Ein stilles Glück stellte sich bei ihm ein, dass sie – obwohl noch immer nicht bei Bewusstsein – von den Toten zurückgekehrt war. Andächtig betrachtete er ihr ebenmäßiges Gesicht und ihre festen Brüste, die sich schwach aber stetig hoben und senkten. Sie atmete, und das allein zählte.
Leonid strich ihr die nassen Haare zurück und entfernte aus reiner Hilflosigkeit ein paar braune Blätter und Tannennadeln daraus. Wieder wanderte sein Blick über ihr schmales Gesicht, mit dem vollen, vielleicht etwas zu groß geratenen Mund, den Sommersprossen auf ihren Wangen bis hin zu den schön geschwungenen Brauen. Was sollte er bloß mit ihr anstellen? Er konnte ja nicht ewig so sitzen bleiben, nackt und ratlos. Ajaci war es schließlich, der ihn mit kalter, feuchter Nase anstupste, als wolle er ihm sagen, dass er sich endlich etwas einfallen lassen sollte.
Es ergab keinen Sinn, ihr den Taucheranzug wieder anzuziehen. Auch der Badeanzug war nass. Es war nicht kalt, aber auch nicht so warm, als dass er die Frau stundenlang unbekleidet und ausgekühlt liegen lassen konnte. Leonid entschied, sie in seine Hütte zu bringen, auch wenn alle Vernunft dagegen sprach. Er konnte sie nicht im Wald zurücklassen und für ihn selbst war es zu gefährlich, wenn er mit ihr im Camp auftauchte. Er war nicht darauf aus, die Aufmerksamkeit eines Sergej Bashtiri auf sich zu lenken.
Um wenigstens seine eigene Scham zu bedecken, zog er seine feuchten Hosen an und schlüpfte mit einigem Widerwillen in die nassen Stiefel. Seine restliche Kleidung und den Badeanzug der jungen Frau wrang er gründlich aus, bevor er sie in
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