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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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packte. »Kondrashov«, zischte er. »Du hast hier weder Forderungen zu stellen, noch darfst du Wünsche äußern. Anscheinend geht es nicht in deinen Schädel hinein, dass das Schicksal deiner verdammten Sippe allein von deinem Verhalten abhängig ist. Wenn du nicht gehorchst, werden wir jeden Einzelnen von ihnen aufknüpfen und dir ihre Leichen als Geschenk überbringen.« Subbotas Griff wurde noch ein wenig fester, während er dem erstaunlich ruhig gebliebenen Aslan in die kleinen dunklen Augen starrte. »Haben wir uns verstanden?«
    »Jawohl, Herr Leutnant«, flüsterte Aslan, wobei er es vermied, Subbotas Blick zu begegnen.
    Widerwillig ließ sich Aslan auf einem der Betten nieder, nachdem Subbota mit einem kurzen militärischen Abschied das Zimmer verlassen und sein Begleiter die Tür von außen geräuschvoll verschlossen hatte.
    Weinberg blieb unbeeindruckt von der hasserfüllten Bekundung des schwarz gelockten Turkmenen. Mit einem schrägen Blick sah er ihn an. »Wenn du willst, gebe ich dir eine handgeknüpfte Matte, die du für deine täglichen Gebete nutzen kannst. Du betest doch fünfmal am Tag, oder liege ich da falsch?«
    »Ja«, knurrte Aslan. Ihm war anzusehen, dass Weinberg ihn überrascht hatte.
    »Nun gut«, sagte Weinberg leise. »Dann zieht euch mal die Mäntel aus.« Mit einer eleganten Drehung wandte er sich dem Bollerofen zu und setzte einen Wasserkessel auf die einzige Herdplatte des Ofens. Bevor er einen Esslöffel Schwarztee und mehrere Teelöffel braunen Zucker hinzufügte, stellte er vier Becher auf einen Tisch und einen Teller mit trockenem Brot hinzu. »Ein Zugeständnis der Lagerleitung«, stellte er unmissverständlich klar. »Für gute Leistungen.«
    Leonard hatte sich auf ein Bett direkt neben dem Alten gesetzt. Er hatte nichts gegen Juden. Schließlich hatte er im Haus eines Juden gewohnt, auch wenn dieser ihm immer recht mürrisch erschienen war. |160| Doch das war gewiss keine Frage des Glaubens gewesen, sondern war eher den schwierigen Umständen zuzuschreiben, in denen Eisenstein als Witwer und ohne Kinder auf seine alten Tage gelebt hatte. Jetzt war er tot und im Jenseits, falls es denn ein Jenseits gab, und wenn er besonders viel Glück gehabt hatte, war er dort mit seiner geliebten Jenny vereint, die – wie er in melancholischen Augenblicken erklärt hatte – viel zu früh von ihm gegangen war.
    Dankbar nahm Leonard den dampfenden Becher entgegen, der ihm von Weinberg gereicht wurde. Jeder Mensch hat ein Schicksal, hatte seine Großmutter immer gesagt, und damit meinte sie wohl, dass selten im Leben alles glatt verlief, selbst bei den Leuten, bei denen man es annehmen durfte. Weinberg gehörte zu solchen Leuten. Immerhin war er Professor. Was mochte ihn in diese Hölle geführt haben?
    »Warum sind wir hier?«, fragte Leonard voller Anspannung. Er trank einen Schluck Tee, um seine Frage beiläufig klingen zu lassen.
    Weinberg, der inzwischen alle mit Tee versorgt hatte, setzte sich ihm gegenüber und sah ihn mit funkelnden Äuglein an. »Was wirft man euch vor?«, fragte er, statt zu antworten.
    Der Reihe nach erzählten Leonard und Pjotr ihre Leidensgeschichte, meist leise und zögernd, als ob sie es immer noch nicht glauben wollten. Nur Aslan verweigerte sich und tat, als sei er eingeschlafen.
    Weinberg nickte, als sie ihre Erzählung beendet hatten. »Es ist immer wieder das gleiche Procedere, nur dass der Geheimdienst des Zaren diesmal besonders gründlich vorgegangen ist.« Sein Blick wanderte von einem zum anderen. »Man hat euch in eine Falle gelockt. Ist euch das klar?«
    »Warum?« Leonard sah den Alten noch verwirrter an als Pjotr, der augenscheinlich noch viel weniger verstand.
    »Sie gucken sich die fähigsten Köpfe aus, und dann lässt man sich etwas einfallen, damit sie das grausame Spiel, das dann folgt, mitspielen.«
    »Was redest du da für einen Schwachsinn, Alter!« Der vermeintlich schlafende Aslan hatte sich abrupt aufgesetzt. »Ich habe nichts getan, wofür man mich strafen könnte. Meinem Bruder haben sie vorgeworfen, mit den Bolschewiki kollaboriert zu haben. Am nächsten Tag stand die Ochrana vor der Tür und hat unsere gesamte Sippe verhaftet.«
    »Und du denkst, das war Zufall?«
    |161| »Willst du damit sagen, es ist meine Schuld, dass das passiert ist?«
    Aslan schüttelte unwillig den Kopf.
    »Vielleicht haben sie bei der Durchsicht der Akten festgestellt, dass es jemanden in der Familie gibt, den sie für ihre Zwecke gebrauchen können?

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