Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
Vom Netzwerk:
Gefangenen hatte man ebenfalls in eine weiter entfernte Baracke geführt. Selbst die Kosaken mitsamt ihren Pferden waren längst in einem Verschlag verschwunden, gerade so, als hätte sie die eisig glitzernde Umgebung regelrecht aufgesaugt.
    Eine unheimliche Stille durchflutete das weite nächtliche Tal, nur unterbrochen von einem stetigen Rauschen, das aus dem Turbinen-Kraftwerk gut dreihundert Meter entfernt zu ihnen drang.
    Im Lichtkegel eines Laternenmastes blieben sie vor einem düsteren Flachbau stehen, bis einer der vier begleitenden Soldaten unter seinem Fellmantel nach einem großen Schlüsselbund fingerte. Mit einem quietschenden Geräusch öffnete er schließlich eine vergitterte Tür.
    Pjotr zitterte am ganzen Leib – nicht wegen der Kälte, sondern weil er sich fürchtete.
    Leonard legte ihm eine Hand auf die Schulter, um ihn zu beruhigen.
    Aslan, dem der Beistand des deutschen Leidensgenossen nicht entgangen war, grinste Pjotr herablassend an. »Warum auch immer – sie sind hier auf dich angewiesen, Angsthase«, flüsterte er. »Nicht nur mein Instinkt sagt mir, dass dies kein normales Lager ist. Und wenn du tust, was sie von dir verlangen, wird dir niemand ein Härchen krümmen, und man wird dich schon gar nicht in dieses grausige Loch stecken.«
    Leonard hob eine Braue und sah Aslan fragend an, doch der hatte sich längst aufgemacht und war noch vor Subbota, der ihnen selbst hier nicht von der Seite wich, in einem spärlich beleuchteten Gang verschwunden.
    »Auf, meine Herren!«, plärrte Subbota ungehalten, als er bemerkte, wie Leonard und Pjotr zögerten. »Oder wollt ihr hier draußen erfrieren?«
    Im Innern der Baracke brannte ein gedämpftes Licht. Der Raum, in dem sie allesamt untergebracht wurden, war nicht so groß. Es roch nach schmutziger Kleidung und nach feuchten Wänden. Und doch hatte die bescheidene Behausung einen unübersehbaren Vorteil. Keine |158| ellenlangen Bettenreihen, in denen unzählige Gefangene ihre zweifelhafte Ruhe finden sollten, sondern lediglich fünf Schlafplätze, die auf vielleicht dreißig Quadratmeter verteilt waren. Alles in allem spartanisch und doch funktional. In einer Ecke stand ein eiserner Ofen, in dem ein heimeliges Feuer knisterte. Nicht weit davon entfernt gab es sogar eine Kommode und eine Waschschüssel mit einem Krug. Dazu einen Samowar und ein Sammelsurium von Emaillebechern, Tellern und Besteck.
    Eine huschende Bewegung fesselte die Aufmerksamkeit der Neuankömmlinge. Ein älterer Mann mit einem silbergrauen Bart, der ihm bis zur Brust reichte, erhob sich von seinem Bett und ging ihnen mit ausgestreckter Hand entgegen. Hinter seiner Nickelbrille, die ihm fast bis zum Ende seiner langen Nase gerutscht war, lächelte er freundlich. Seine Lagerkleidung erschien viel zu weit, und über die Brillengläser hinweg suchte er den Blick seiner neuen Mitbewohner.
    »Isaak Weinberg«, sagte er und streckte Leonard die Hand entgegen. »Willkommen im ›Tal ohne Wiederkehr‹.«
    Subbota und sein uniformierter Begleiter beäugten den kleinen gebeugten Mann mit misstrauischer Miene. Der Alte jedoch, dessen langer Bart nicht nur bei Leonard den Eindruck erweckte, man habe es mit einem biblischen Propheten zu tun, schien die abweisende Art des Offiziers nicht zu kümmern. In aller Ruhe blickte er dem Offizier und den Wachsoldaten ebenso erwartungsvoll ins Gesicht wie den drei jungen Gefangenen.
    »Das ist Professor Weinberg. Er ist Jude und Naturwissenschaftler«, stellte Subbota unmissverständlich klar und blickte in die Runde. »Ich will, dass ihr ihn anständig behandelt. Ihr werdet zusammen mit ihm hier wohnen. Er wird euch unter seine Fittiche nehmen und euch sagen, was zu tun ist. Außerdem schreibt er die wöchentlichen Berichte an den Kommandeur, um den Gang und die Fortschritte eurer Arbeit zu belegen. Sollten irgendwelche Klagen kommen, wisst ihr, was mit euch geschieht.«
    »Wie bitte?« Aslan hatte sich langsam zu Subbota umgedreht und sah ihn mit verärgerter Miene an. »Ich soll mich einem Juden unterordnen. Ja, sogar mit ihm in einer Hütte wohnen? Sind hier alle übergeschnappt? Das kommt überhaupt nicht in Frage! Meine Mutter |159| pflegte immer zu sagen, Juden hätten keinen Respekt vor dem Propheten, und außerdem hätten sie Jesus Christus auf den Gewissen.« Er zuckte mit den Schultern. »Man kann ihnen einfach nicht trauen.«
    Subbota sah seinen renitenten Schützling mit zusammengekniffenen Lidern an, bevor er ihn am Kragen des Mantels

Weitere Kostenlose Bücher