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Schande

Schande

Titel: Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Coetzee
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sie drückt; was für eine nette Begrüßung am Ende einer langen Reise!
       
     
      Das Haus, das groß, dunkel und selbst am Mittag kühl ist, stammt aus der Zeit, als große Familien und Wagenladungen von Gästen die Regel waren. Vor sechs Jahren ist Lucy hier eingezogen als Mitglied einer Kommune, einer Meute junger Leute, die in Grahamstown mit Lederwaren und sonnengehärteten Töpferwaren handelte und zwischen Maispflanzen Hanf anbaute. Als die Kommune sich auflöste und der traurige Rest nach New Bethesda zog, blieb Lucy mit ihrer Freundin Helen auf dem Anwesen.
      Sie habe sich in den Ort verliebt, sagte sie; sie wolle ihn ordentlich bewirtschaften. Er half ihr beim Erwerb des Anwesens. Jetzt ist sie hier, geblümtes Kleid, barfuß und so, in einem Haus, das nach gebackenem Brot riecht, kein Kind mehr, das sich als Bäuerin verkleidet, sondern eine richtige Landfrau, eine boervrou.
      »Ich bringe dich in Helens Zimmer unter«, sagt sie.
      »Das hat Morgensonne. Du kannst dir nicht vorstellen, wie kalt es diesen Winter am Morgen gewesen ist.«
      »Wie geht’s Helen?« fragt er. Helen ist eine dicke Frau mit traurigem Gesichtsausdruck, tiefer Stimme und schlechter Haut, älter als Lucy. Er konnte nie begreifen, was Lucy an ihr findet; insgeheim wünscht er, Lucy möge eine bessere finden oder von ihr gefunden werden.
      »Helen ist seit April wieder in Johannesburg. Ich bin seitdem allein, abgesehen von der Farmhilfe.«
      »Das hast du mir nicht erzählt. Hast du keine Angst, so ganz allein?«
      Lucy zuckt die Schultern. »Da sind die Hunde. Hunde bedeuten noch was. Je mehr Hunde, desto größer die Abschreckung. Und ich glaube kaum, daß es im Fall eines Einbruchs etwas nützen würde, wenn zwei Personen im Haus wären statt nur einer.«
       
     
      »Das ist sehr philosophisch.«
      »Ja. Wenn alles andere versagt, dann hilft nur philosophieren.«
      »Aber du hast doch eine Waffe.«
      »Ich habe ein Gewehr. Ich zeig’s dir. Ein Nachbar hat es mir verkauft. Ich habe es noch nie benutzt, aber ich habe es.«
      »Gut. Ein bewaffneter Philosoph. Das finde ich gut.«
      Hunde und ein Gewehr; Brot im Ofen, das Feld bestellt. Seltsam, daß er und ihre Mutter, Stadtmenschen, Intellektuelle, diesen alten Menschenschlag, diese robuste junge Siedlerin hervorgebracht haben sollen. Aber vielleicht hatte ja die Geschichte einen größeren Anteil an ihrer Entstehung als sie beide.
      Sie bietet ihm Tee an. Er hat Hunger und schlingt zwei dicke Brotscheiben mit Kaktusfeigenmarmelade, auch selbstgemacht, herunter. Während er ißt, spürt er ihren Blick auf sich ruhen. Er muß vorsichtig sein – nichts ist für ein Kind so unangenehm wie die körperlichen Verrichtungen der Eltern.
      Ihre Fingernägel sind nicht besonders sauber. Landschmutz – wahrscheinlich ehrenwert.
      Er packt in Helens Zimmer seinen Koffer aus. Die Schubladen sind leer; in dem riesigen alten Kleiderschrank hängt nur ein blauer Overall. Wenn Helen fort ist, dann nicht nur für kurze Zeit.
      Lucy führt ihn auf dem Anwesen herum. Sie ermahnt ihn, kein Wasser zu verschwenden und den septischen Tank nicht zu verunreinigen. Er weiß Bescheid, hört aber pflichtschuldig zu. Dann zeigt sie ihm die Hundepension.
      Als er das letzte Mal zu Besuch war, gab es nur einen Zwinger. Jetzt gibt es fünf, solide gebaut, mit Betonböden, verzinkten Stangen und Streben und starkem Maschendraht, beschattet von jungen Fieberbäumen. Die Hunde gebärden sich aufgeregt bei ihrem Anblick: Dobermänner, Schäferhunde, Ridgebacks, Bullterrier, Rottweiler. »Alles Wachhunde«, sagt sie. »Gebrauchshunde, zum kurzen Aufenthalt – vierzehn Tage, eine Woche, manchmal nur ein Wochenende. Die Familienhunde kommen gewöhnlich während der Sommerferien.«
      »Und Katzen? Nimmst du keine Katzen auf?«
      »Lach nicht. Ich denke daran, auch noch eine Katzenpension zu eröffnen. Ich bin nur noch nicht eingerichtet auf Katzen.«
      »Hast du noch deinen Stand auf dem Markt?«
      »Ja, Samstag vormittags. Ich nehme dich mit.«
      So verdient sie ihren Lebensunterhalt – durch die Hundepension und durch den Verkauf von Blumen und Gemüse. Nichts könnte einfacher sein.
      »Langweilen sich die Hunde nicht?« Er zeigt auf eine Hündin, eine gelbbraune Bulldogge allein im Käfig, die sie mit den Kopf auf den Pfoten verdrießlich beobachtet und sich nicht einmal die Mühe macht, aufzustehen.
      »Katy? Die hat man im Stich gelassen. Die Besitzer

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