Schandtat
mörderische Typ.«
»Ich auch nicht, aber ich könnte ein Komplize sein oder so was. Pulp-Fiction -mäßig. Hast du doch gesehen, oder?«
»Klar.«
»Travolta rockt total, aber Samuel Jackson hat den Film zu dem gemacht, was er ist. Legendär.«
Dad kam den Pfad hinauf. Er nickte uns zu, hatte einen ganzen Beutel voller Bücher dabei. »Hey, ihr zwei!«
»Hey!«
Er warf einen Blick zu Velveeta hinüber, dann konzentrierte er sich wieder auf uns. »Na, was führt ihr im Schilde?«
»Nichts.«
Er lächelte und deutete mit dem Kopf auf die Bücher in seiner Tasche. »Hey, wir haben für morgen in der Schule eine Anti-Schikane-Veranstaltung anberaumt, um das Bewusstsein dafür zu stärken. Wollt ihr nicht auch daran teilnehmen?«
Theo, der vor meinem Dad das brave Hündchen mimte, sagte begeistert zu. Ich verdrehte die Augen. »Klar doch.«
»Gefällt dir die Idee nicht, Poe?«
»Das ist fast so, als würde man Verbrecher dazu einladen, im Gefängnis vorbeizuschauen und sich freiwillig zu stellen.«
Er zuckte die Achseln. »Vielleicht, aber irgendwo müssen wir schließlich anfangen.« Er öffnete die Fliegentür. »Die sechste Stunde fällt für alle Teilnehmer aus.«
Ich lächelte. »Ich bin dabei.«
Nachdem Dad hineingegangen war, gab ich Theo einen Klaps auf den Hinterkopf. »Loser.«
»Hey, was denn? Ich steh total auf Aktionen für ein stärkeres soziales Bewusstsein. Alles, damit die Rädchen der kollektiven Maschinerie weiterhin reibungslos laufen.«
»Ja, na klar.«
Er lachte. »Na ja, auf eine kauzige Art und Weise hat er schon recht.«
»Das ist völliger Schwachsinn! Da kommen also jede Menge Opfer und gefühlsduselige Rührlöffel zusammen und reden darüber, wie schlecht ihr Leben doch ist, sie weinen sich gründlich aus, und am Ende stehen mein Dad und Halvorson auf und erzählen ihnen, wie sie noch bessere Boxsäcke abgeben können. Ich hab so was schon früher erlebt, und diese Schule ist da garantiert keine Ausnahme.«
Er zuckte mit den Schultern. »Hm, wenn du schon zum Boxsack wirst, dann sei wenigstens der beste, der du sein kannst. Das sagt mein Dad jedenfalls immer.«
»Ich find’s einfach nur albern.«
»Natürlich ist es albern, aber zumindest versucht er, was zu ändern. Es ist ja nun leider nicht so, als könnte er eine Horde fleischfressender Eichhörnchen in den Fluren aussetzen und dann einfach zusehen, wie das Gemetzel beginnt.«
Ich lachte. »Okay, aber es ist trotzdem nur so’ne Feigenblattaktion.«
»Wir werden sehen. Morgen in der sechsten Stunde. Das kannst du dir echt nicht entgehen lassen!«
ZWEIUNDZWANZIG
Der Montag schwelte dahin wie ein nicht enden wollender Tag in der Hölle.
In der Gerüchteküche brodelte es jedoch auf höchster Flamme, und bereits nach der ersten Stunde schien es, als würden alle von der Strömung mitgerissen. Colby ist total angepisst. Velveeta ist so gut wie tot. Hast du schon gehört? Oh mein Gott, jetzt ist die Kacke am Dampfen! Bis zur dritten Stunde hatte ich es so satt, dass ich am liebsten abgehauen wäre. Velveeta war nirgends zu finden.
Mir war klar, dass Halvorson über die Sache mit dem Wagen Bescheid wusste. Man hätte schon tot sein müssen, um nicht mitzubekommen, was los war, und nach den Blicken zu urteilen, mit denen er Colby bedachte, hatte ich auch recht. Ich konnte nur nicht erkennen, ob er damit rechnete, dass der Dritte Weltkrieg ausbrach, oder ob er zum Gott des staatlichen Bildungswesens für einen Waffenstillstand betete.
Velveeta hielt sich vermutlich bedeckt, weil er wusste, dass Colby hinter ihm her sein würde, aber ich war mir nicht sicher. Ich war mir nicht einmal sicher, ob Velveeta wirklich sein Auto demoliert hatte. Zwar hoffte ich, dass er es nicht getan hatte, aber ich wusste auch, dass es ohnehin keinen Unterschied machen würde. Colby Morris und Velveeta würden sich letzten Endes auf übelste Weise begegnen, und nichts und niemand konnte das verhindern.
Mr Halvorson entschied sich dafür, uns einen einstündigen Monolog über das Dilemma des USA PATRIOT Act zu halten, des »Gesetzes zur Stärkung und Einigung Amerikas durch Bereitstellung geeigneter Werkzeuge, um Terrorismus aufzuhalten und zu blockieren«, das uns einerseits schützte, aber gleichzeitig dem Heimatschutzministerium einen Freibrief ausstellte, um die Verfassung beliebig in Stücke zu reißen. Er dachte allerdings ein wenig anders darüber und erklärte sinngemäß, dass die Sicherheit unserer freien Nation wichtiger
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