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Schandtat

Titel: Schandtat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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hier?«
    Sie sah mich an, und dann lächelte sie, ging aber nicht auf meine Frage ein. »Ich war zweiundzwanzig Jahre lang Lehrerin.«
    »Aber Sie mögen diese Schule nicht, oder?«
    Sie wandte den Blick ab, die Gläser ihrer Altdamenbrille reflektierten das Licht der Leuchtstoffröhren über ihr. »Mitunter verliert eine Schule völlig aus den Augen, warum sie eigentlich existiert.«
    Ich runzelte die Stirn. »Wie das?«
    Sie lächelte und klopfte fast zärtlich auf den Bildschirm, so als sei er ein räudiger Roboterschoßhund. »Wir alten Hasen nennen das Schulsystem nicht ohne Grund Die Bestie , Poe, und auch wenn es einem höheren Zweck dient - gesunder Menschenverstand und Logik gehen in der Politik manchmal einfach unter.«
    »Sie klingen wie Theo.«
    Ms Appleway kicherte. »Fast drei Jahrzehnte lang habe ich für etwas gearbeitet, an das ich glaubte. An das ich immer
noch glaube. Allerdings sollte das Pendel eigentlich hin-und herschwingen, und von Zeit zu Zeit…« - sie musterte mich - »… muss eben jemand dafür sorgen, dass es wieder in die andere Richtung schwingt. Und jetzt ab mit Ihnen«, sagte sie und scheuchte mich weg.

ZWANZIG
    Das einzige Problem am Leben in einer Kleinstadt ist, dass es einfach kein Entrinnen gibt, es sei denn, man schaufelt ein Loch und begräbt sich darin. Jeder kennt jeden, jeder weiß, wer jeden kennt, und man kann auch niemandem aus dem Weg gehen. Es fühlt sich an, als spaziere man in einem Goldfischglas umher, und jede Form von Privatsphäre ist wie Politik und Ehrlichkeit - schlichtweg unmöglich.
    Anna Conrad wartete nach der sechsten Stunde an den Schließfächern auf mich, ihre Lippe war noch immer geschwollen. Ich öffnete meinen Spind. »Was macht dein Gesicht?«
    Sie biss die Zähne zusammen. »Wir müssen reden.«
    Ich trat näher. Der Drang, in dieses wunderschön goldene Haar zu greifen und es einfach auszureißen, wurde von Sekunde zu Sekunde stärker. Ich konnte die feinen Haarbüschel fast schon in meiner Faust spüren.
    Sie sah sich um, hoffte vielleicht, unter den Schülern um uns herum einen Freund zu entdecken oder gleich einen gepanzerten Humvee. »Ich hatte keine Ahnung, dass Colby so etwas tun würde.«
    Ich starrte sie einen Moment lang an, und dann verebbte die Wut beinahe so schnell, wie sie gekommen war. Plötzlich hatte ich das Gefühl, als stünde eine Erstklässlerin vor mir, die versehentlich eine Atombombe gezündet hatte und nicht
verstehen konnte, was nun vor sich ging. »Du bist wirklich eine armselige kleine Schlampe, weißt du das? Anna Conrad, das hübsche Mädchen, das keine Ahnung hatte. Buhuuh.« Ich verzog das Gesicht. »Verschwinde und such dir einen anderen, der dich wieder aufbaut.«
    Sie räusperte sich, dann holte sie tief Luft. Tränen traten ihr in die Augen. »Geht es ihm gut?«
    Ich starrte sie an. »Nein, es geht ihm gar nicht gut. Aber vielleicht solltest du mit ein paar Keksen bei ihm vorbeischauen, um alles wieder gutzumachen, hm?« Ich schnaubte. »Lüfte einfach dein Röckchen und zeig ein wenig Hintern, dann wird’s schon wieder gut, denn wir wissen doch alle, dass Anna Conrad nichts falsch machen kann.«
    Sie runzelte die Stirn. »Was soll das denn heißen?«
    »Das heißt, du bist Scheiße.«
    Sie musterte mich von Kopf bis Fuß, und ihr Gesicht verzerrte sich vor Zorn, bevor sie erneut tief Luft holte. »Ich versuch hier gerade, mich zu entschuldigen.«
    »Steht das etwa im Anna-Conrad-Handbuch zum Thema, wie man alles richtig macht?«
    Sie senkte den Blick und sah zur Seite. »Halt doch den Mund! So ist das gar nicht.«
    Ich lachte. »Doch, Anna, genauso ist es.«
    Sie zögerte, dann richtete sie sich auf. »Im Flur, als du mich geschlagen hast, hab ich versucht, mich bei dir zu entschuldigen. Wegen der Sache mit dem Chor. Ich find’s nicht richtig, aber meine Eltern haben darauf bestanden. Und ich fühl mich wirklich schrecklich wegen des Briefs. Ich wäre nie darauf gekommen, dass sie so was damit vorhatten, und wenn ich’s gewusst hätte, hätte ich den Brief bestimmt nicht
geschrieben. Sie sagten, es sei alles nur ein Spaß. Ein Streich, nichts weiter. Colby hat es auf Velveeta abgesehen, seit er hierher gekommen ist, aber ich hätte nie gedacht, dass er so weit gehen würde.«
    »Tja, ist er aber, oder etwa nicht?«
    Ihre Augen blitzten auf. »Ja, das ist er. Aber ich nicht! Und du kannst nicht mir die Schuld dafür geben.«
    Ich schloss meinen Spind. »Du bist erbärmlich, Anna, und das Kranke daran ist,

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