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Scharade der Liebe

Titel: Scharade der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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verdammter Bruder. Ich kann es nicht fassen, dass du so einfach aufgeben willst, mich so einfach aus deinem Leben verbannen willst.
    Da deine Mutter und dein Vater tot sind, müssen wir eben ein anderes Mitglied deiner Familie finden, das damals in der Nähe der beiden war.«
    Langsam schüttelte Gray den Kopf. »Meine Mutter ist nicht tot. Fast alle glauben, sie sei vor zehn Jahren gestorben, aber das ist sie nicht. Sie lebt auf meinem Landbesitz in der Nähe von Malton, am Derwent im Nordosten von York.«
    »Sie lebt?« Jack hätte beinahe vor Freude und Erleichterung einen Luftsprung gemacht. »Aber das ist ja großartig, das ist... wundervoll! Dann gibt es doch kein Problem mehr, Gray. Warum hast du mir denn nicht einfach gesagt, dass wir sie sofort besuchen und fragen müssen? Sie würde dir doch sicher die Wahrheit sagen, oder?«
    »Ja, vermutlich«, erwiderte er. »Wenn sie könnte.« Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und blickte unverwandt auf die Bücherregale.
    »Was, Gray? Was ist los?«
    Als er sie wieder ansah, lag ein Schleier über seinen Augen. »Ich sollte dir vermutlich die Wahrheit erzählen. Meine Mutter ist wahnsinnig geworden, als ich meinen Vater ermordet habe. Oder vielmehr, als ich den Bastard erschossen habe, der meine Mutter zu Tode geprügelt hätte.«
    Wortlos kam sie um den Schreibtisch herum und schlang die Arme um ihn. Er hatte seinen Vater getötet? Sie spürte den Schmerz in ihm. Er hatte dies so lange mit sich herumgetragen, und sie war wahrscheinlich der erste Mensch, dem er je davon erzählt hatte. Er war so allein gewesen. Sie hielt ihn ganz fest, ohne sich darum zu kümmern, dass er erstarrte und versuchte, sich von seiner Halbschwester zu lösen. »Es tut mir so Leid«, sagte sie. »So Leid. Ich wusste, dass dein Vater ein böser Mann war, aber dies?«
    »Ein böser Mann? Mein Vater? Nein, das beschreibt ihn nicht einmal im Entferntesten. Er war ein Ungeheuer. Er schlug sie, so lange ich mich erinnern kann. Dann begann er mich zu schlagen. Sie schrie und weinte, tat aber nichts dagegen.
    Eines Tages, als ich zwölf Jahre alt war, hörte ich meine Mutter schreien. Ich rannte in ihr Schlafzimmer und sah, wie er sie mit einem Gürtel schlug. Sie hockte auf allen vieren, mit gesenktem Kopf, und gab diese durchdringenden Schreie von sich, und er stand mit gespreizten Beinen über ihr und schwang diesen Gürtel. Ich konnte es nicht ertragen. Ich weiß noch, dass ich geschrien habe, er solle aufhören. Lächelnd drehte er sich um. Und dann sagte er mit einer fast liebevollen Stimme: >Nun, Junge, du willst, dass ich aufhöre, die Hündin zu schlagen? Und was tust du, wenn ich nicht aufhöre?< Ich stand da wie erstarrt. Lachend drehte er sich wieder um und schlug so fest zu, dass sie auf dem Boden zusammenbrach. Ich lief in sein Schlafzimmer und holte die Pistole, die er in seiner Kommode aufbewahrte. Ich sah noch nicht einmal nach, ob sie geladen war. Ich lief einfach zurück ins Schlafzimmer meiner Mutter, sah, dass er schon wieder den Gürtel hob, und schrie, er solle aufhören.
    Wieder drehte er sich zu mir um. Er sah die Pistole in meiner Hand. Solange ich lebe, werde ich nie vergessen, was er dann zu mir sagte. >Du wagst es, meine eigene Pistole gegen mich zu erheben? Weißt du, was ich dafür mit dir mache?< Und dann trat er auf mich zu. Ich schoss auf ihn.
    Ich schoss ihn direkt in die Brust. Er blieb mitten in der Bewegung stehen, und ich weiß noch, dass er äußerst erstaunt aussah. >Du hast auf mich geschossen, du jämmerlicher Welpe! <
    Ich sagte überhaupt nichts. Er trat auf mich zu, und Blut sickerte aus seinem Mund auf sein weißes Hemd, das schon von der Kugel in seiner Brust ganz blutdurchtränkt war. Ich hob die Pistole und schoss noch einmal. Dieses Mal traf ihn die Kugel in die Kehle. Ich glaube, erst da begriff ich, dass in der Pistole zwei Kugeln waren. Er fluchte, trat noch einen weiteren Schritt auf mich zu, und dann brach er zusammen.«
    Sie drückte ihn noch fester an sich. Sie sah diesen Jungen und seine Mutter vor sich. Aber den schrecklichen Mann, der beide so misshandelt hatte, sah sie nicht. Was Gray getan hatte, hatte großen Mut erfordert.
    »Meine Mutter richtete sich auf und kroch zu ihm. Sie sah mich an, die Tränen strömten ihr über das Gesicht, und dann sagte sie: >Du hast den einzigen Mann, den ich je geliebt habe, umgebracht.< Dann brach sie über ihm zusammen und weinte und weinte. Ich ging zu Jeffrey, dem Butler, und erzählte ihm,

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