Scharade
eifersüchtig machen lassen wie ein Teenager.
Vergià es, sagte sie sich und stellte das Foto an seinen Platz zurück.
An der Wand hinter dem Schreibtisch war eine Korkwand angebracht, die fast bis auf den letzten Zentimeter vollgehängt war mit Notizen, Ausschnitten aus Zeitungen und Zeitschriften, handgeschriebenen Memos und sonstigen Zetteln. Da sie annahm, daà dieses Material zu dem Buch gehörte, an dem er gerade arbeitete, beugte sich Cat vor und begann zu lesen.
Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, daà alles nur einem einzigen Thema galt. Und es ging nicht um Verbrechen oder
Korruption bei der Polizei, sondern um Organtransplantation, speziell Herztransplantation.
Eines fiel ihr besonders auf. Es war das Duplikat eines der Zeitungsausschnitte, die Reyes ihr geschickt hatte. Nur daà es sich nicht um die Kopie handelte, die sie vor Wochen Alex persönlich gegeben hatte. Dies war ein Original. Es war am Rand bereits vergilbt. Es war zwei Jahre alt.
Ihr sackten die Knie weg, und sie landete recht unsanft auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch. »Reià dich zusammen, Cat«, murmelte sie. Nur keine voreiligen Schlüsse. Es muÃte eine logische Erklärung dafür geben. Sie hatte sie nur noch nicht gefunden.
Alex recherchierte vermutlich für eines seiner Bücher in Sachen Herzverpflanzung. Ja, das war es wahrscheinlich. Er hatte es ihr nur nicht sagen wollen, weil...
Ja, warum nicht?
Warum hatte er ihr nichts davon erzählt? Weshalb all die Geheimniskrämerei?
Vielleicht enthielten die Aktenordner die Antwort. Der oberste auf dem Stapel trug die Aufschrift AMANDA. Cat schlug den Deckel auf. Ihr Herz stockte. Von einem vergröÃerten Porträt lächelte ihr die Frau vom Urlaubsfoto entgegen.
Sie hatte einnehmende, humorvolle Augen und ein intelligentes Gesicht. Welcher Art mochte ihre Beziehung zu Alex gewesen sein? fragte sich Cat. Sie wollte es unbedingt wissen, fürchtete sich jedoch vor der Wahrheit.
Sie blätterte die Seite mit dem Foto um und las das folgende Dokument. »Oh, Gott.« Es war Amandas Todesurkunde.
Wie auch immer sie zueinander gestanden haben mochten â ihre Beziehung hatte mit Amandas Tod geendet. Armer Alex. Wenn er ein enges Verhältnis zu ihr gehabt hatte, muÃte der Verlust tragisch für ihn gewesen sein. Das erklärte
seinen Zynismus, zumindest zum Teil. Ihr Tod, dazu die Sache mit seinem ehemaligen Partner, das erklärte, weshalb er versucht hatte, im Alkohol Trost zu finden. Hatte er Amanda vor dem besagten vierten Juli verloren oder danach?
Cat überprüfte das Datum auf der Todesurkunde und preÃte die Hand an den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken.
Als sie wieder zu Atem kam, klang dieser laut und rauh in der Stille des Raumes. Ihr Herz raste. Sie legte Amandas Akte hastig beiseite und nahm den Ordner darunter, auch wenn sie fast sicher war, zu wissen, was sie lesen würde.
DANIEL L. LUKAS alias SPARKY.
Und ohne einen Blick darauf zu werfen, wuÃte sie, was auf dem nächsten Ordner stand. Sie hatte recht. JUDITH REYES.
Mit zitternden Händen schlug sie auch die übrigen Ordner auf. Sie waren mit den Namen der anderen Herzspender beschriftet, die bei Unfällen ums Leben gekommen waren. Jeder dieser Ordner enthielt umfangreiche Aufzeichnungen, detaillierte Beschreibungen der tödlichen Unfälle, Kopien der Autopsie- und Polizeiberichte; Unterlagen, an die nur ein Polizist â oder ein auÃergewöhnlich gerissener Expolizist â gelangen konnte.
Der letzte Ordner des Stapels trug ihren Namen. Zitternd blätterte sie ihn durch. Ihr Leben war sehr gut dokumentiert, besonders die Jahre nach ihrer Transplantation. Da waren Dutzende von Fotos von ihr, einige schon Jahre alt, andere kaum eine Woche, einige gestellt, andere zufällig aufgenommen, offensichtlich mit einem Teleobjektiv.
All dieses Material â es muÃte Jahre gedauert haben, es zusammenzutragen. Er konnte unmöglich erst vor wenigen Wochen damit begonnen haben, als sie ihn um Hilfe gebeten hatte, den anonymen Briefeschreiber ausfindig zu machen. Dies hier war das Werk von stunden-, tage-, jahrelanger
intensivster Recherche. Jeder Tod war vollständig dokumentiert oder nachgezeichnet.
Ihr Verstand weigerte sich, zu akzeptieren, was das bedeutete.
Plötzlich schwang die Tür hinter ihr auf. Cat sprang vom Stuhl hoch und wirbelte herum.
Vor ihr stand Alex und starrte sie mit
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