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Scharade

Scharade

Titel: Scharade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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Streitsüchtig und vermutlich Drogen. Er wird ständig gefeuert. Die Familie lebt von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe und dem bißchen, was Michaels Mutter beisteuern kann.«
    Â»Mißhandelt er den Jungen?«
    Â»Laut Aussagen der Nachbarn, ja. Sie haben schon mehrmals die Polizei gerufen, weil er seine Frau verprügelt hat. Er ist verhaftet, aber nie vor Gericht gestellt worden. Ganz offensichtlich hat sie Angst vor ihm«, erklärte Sherry.
    Â»Letzten Monat hat die Sachbearbeiterin von der Fürsorge Michael für mehrere Tage abgeholt, dann aber zur Mutter zurückgebracht, als Mr. Murphy wegen Drogenbesitzes verhaftet wurde. Unglücklicherweise wurde er mangels Beweisen wieder auf freien Fuß gesetzt.«
    Â»Also ist er mit einem blauen Auge davongekommen«, meinte Cat.
    Â»Hat aber seine Lektion nicht gelernt. Seine Wutausbrüche wurden immer schlimmer und kamen immer häufiger vor. Sie waren aber nicht mehr nur gegen seine Frau gerichtet, sondern immer häufiger gegen den Jungen.
    Letzte Woche erlitt Michael einen angeblichen ›Sturz‹. Er wurde in der Notaufnahme geröntgt, aber wieder entlassen, weil nichts gebrochen war. Vorgestern brachte ihn seine Mutter erneut ins Krankenhaus. Mr. Murphy hatte ihn gegen die Wand gestoßen. Michael war zu benebelt, um auch nur zu weinen. Seine Mutter hatte Angst, er habe sich eine Verletzung am Gehirn zugezogen.«
    Â»Und?«
    Â»Nein, es war nur eine leichte Gehirnerschütterung. Die Ärzte behielten ihn über Nacht zur Beobachtung da. Gestern wurde er entlassen und zu einer Pflegefamilie gegeben.«
    Â»Wie geht es ihm jetzt?«
    Â»Er weint nach seiner Mutter, aber ansonsten ist er wohlauf.
Eigentlich ist er zu lieb und zu still. Er verfügt praktisch über keinerlei Fähigkeit zur Kommunikation. Er zeigte seiner Pflegemutter, daß er gern eine Banane zu seinem Frühstücksmüsli haben würde, wußte aber das Wort nicht.«
    Â»Lieber Himmel«, flüsterte Jeff.
    Â»Dieses Kind ist vom Vater so sehr verängstigt worden, daß es nicht einmal wagt zu sprechen«, sagte Sherry traurig.
    Cat schaute auf das Foto. Der Junge hatte dunkles, lockiges Haar, große, ausdrucksvolle blaue Augen, lange Wimpern und einen lieben Mund. Er war so ein hübscher Kerl, daß man ihn – anders zurechtgemacht – auch für ein Mädchen hätte halten können.
    Cat mochte alle Kinder, ungeachtet ihrer Hautfarbe, ihres Alters oder Geschlechts. Sie kam sogar mit den schwierigen Fällen klar. Das Verhalten eines Kindes – zumal schlechtes – war für gewöhnlich ein Barometer des Ausmaßes an Mißhandlung, dem es ausgesetzt gewesen war. Die Geschichten dieser Kinder berührten sie, machten sie wütend, und manchmal schämte sie sich, ebenfalls zur menschlichen Rasse zu gehören, die den eigenen Kindern solches Elend zufügte.
    Doch dieser Junge faszinierte sie auf eine ganz besondere, unerklärliche Weise. Sie konnte kaum den Blick von dem Foto abwenden.
    Â»Ich wollte, daß du dir diese Akte mal ansiehst«, sagte Sherry, »weil ich glaube, daß wir ihn vielleicht in Cats Kids kriegen. Seine Mutter scheint ihn zu lieben, aber sie hat Angst vor Murphy. Ich fürchte, sie würde sich nicht mal mit ihm anlegen, um Michael zu schützen. Gott allein weiß, welchen Mißhandlungen der Kleine ausgesetzt ist. Ich kenne Typen wie diesen Murphy, und glaub mir, der sieht ganz so aus, als wäre er in der Lage, jemandem körperlich und emotional weh zu tun.
    Wie dem auch sei, diesmal werden sie gemeinsam angeklagt
wegen Mißhandlung eines Minderjährigen. Ihr Anwalt, ein überarbeiteter, unterbezahlter Pflichtverteidiger, versucht bereits alles, um einen Prozeß durch ein Geständnis im minderschweren Fall zu umgehen.«
    Â»Also vermute ich mal«, sagte Jeff, »daß die beiden sich für eine Bagatelle für schuldig erklären werden und dafür das Sorgerecht für Michael verlieren.«
    Das war nichts Ungewöhnliches. Manche Eltern gaben tatsächlich ihre Kinder auf, um ihre Haftstrafe zu reduzieren. So schockierend diese Praxis auch war – für die Kinder war es mitunter besser, auf Dauer von ihren Eltern, die sich nicht um sie kümmerten, wegzukommen.
    Â»Damit liegst du sehr wahrscheinlich richtig«, sagte Sherry. »Murphy wird die Chance ergreifen, den Jungen loszuwerden. Wenn man

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