Schartz, S: Elfenzeit 15: Die Goldenen Äpfel
Schweigen über den Raum. Draußen schneite es schon wieder. Es war düstergrau, und das Zimmer konnte ein bisschen Licht vertragen. Nicht, dass Robert es brauchen würde, aber es war anheimelnder und ... tröstlicher. Er stand auf und schaltete die Stehlampe an, die sofort warmgoldene Helligkeit verbreitete.
»Ähm ...«, begann Tom schließlich. »Kommen wir auf ein Thema zurück, bei dem wir etwas unternehmen können – die Morde am Stachus.«
»Richtig«, sagte Robert erleichtert. Er wollte sich weiterhin an die Vereinbarung mit Anne halten, sich nicht in die Belange des Krieges zwischen Bandorchu und Fanmór einzumischen. Wenn er konnte, beschützte er Nadja und ihr Kind, und er war für die Elfenzwillinge da – aber damit erschöpfte sich sein Wille zur Teilnahme. Auf Island hatte er gesehen, wohin es führte, wenn man sich zu sehr einmischte. Und mit Göttern konnte und wollte er sich nicht auseinandersetzen oder mit mächtigen Wesen wie Fanmór oder Bandorchu.
Aber was in München geschah, entzog sich nicht seiner Einflussnahme. Und es war wichtig, denn Robert und Anne waren keine »normalen« Menschen. Früher oder später würde das irgendjemandem auffallen, und dann wäre die Hexenjagd eröffnet. Sobald einmal das Augenmerk auf sie gefallen war, würden sie nie wieder Ruhe bekommen. Es war schon gefährlich gewesen, sich einem Profi wie Hans-Peter Dauß zu zeigen – aber noch gefährlicher blieb es, sich still zu verhalten. Also war es wichtig, die Sache so schnell wie möglich aufzuklären, um zur Tagesordnung zurückzukehren. »Du hast schon Bücher gewälzt?«, fragte er Tom.
»Ja, von Nicholas Abe. Ich nehme an, das hat euch auch auf die Idee gebracht, zu mir zu kommen?«
Robert nickte anerkennend.
»Abes Wohnung wurde damals ja von Tanner ausgeräumt ... Apropos, was wurde denn aus dem?«
»Der wurde ebenfalls ein Opfer von Ragnarök«, antwortete Anne kalt.
Genauer gesagt, dachte Robert bei sich, hatte Anne dem Amerikaner die Kehle aufgeschlitzt.
Er hatte es verdient gehabt, und am Ende hatte es so ausgesehen, als würde Tanner den Tod sogar begrüßen.
»Also kann er Nadja nicht mehr schaden? Da bin ich aber froh!«, sagte Tom erleichtert. »Und ich brauche auch keinen Schiss vor seinen Schlägern mehr zu haben ...« Er hob die Hand, als er Annes Ungeduld bemerkte. »Bin schon wieder beim Thema! Also, ein paar Sachen konnte ich retten, bevor sie verschleppt wurden. Wie lange geht das überhaupt schon so?«
»Ein paar Tage«, antwortete Robert.
»Gut, dann habe ich noch nicht viel versäumt. Ich kam nämlich gerade von Tokio zurück, als meine Nachbarin, die immer über alles genau Bescheid weiß, mich sofort damit überfiel. Und da ich mittlerweile ziemlich paranoid geworden bin, was seltsame Vorfälle betrifft, habe ich mich gleich an die Recherche gemacht. Mir ist augenblicklich eingefallen, wo ich Abe kennenlernte – nämlich am Stachus. Beim Umbau eines dortigen Geschäftshauses sackte plötzlich der Boden unter einer Baumaschine weg und gab den Blick auf ein Tunnelsystem unbekannter Herkunft frei. Die Röhren waren auf keinem Plan verzeichnet. Niemand hatte eine Ahnung, wie alt sie waren und von wem sie beauftragt worden waren. Oder wozu. Und dann passierten schreckliche Dinge.«
Tom machte eine effektvolle Pause, trank in aller Seelenruhe seinen Cappuccino aus und griff nach Roberts unangetastetem Becher. Anne hob die Augenbrauen, aber Robert konnte keinen Zorn bei ihr entdecken. Im Gegenteil – sie war amüsiert. Er könnte fast eifersüchtig werden.
»Es kam zu tödlichen Unfällen unter wirklich grässlichen Begleitumständen«, fuhr Tom fort. »Leute wurden zerquetscht, unter abrutschenden Erdmassen begraben, von Baggern überrollt ... Ihr könnt es euch nicht vorstellen. Ich machte damals ein Praktikum in einer Lokalredaktion und wurde vor Ort geschickt. So lernte ich Nicholas Abe kennen.« Er nahm einen Zug aus der zweiten Tasse. »Der alte Zausel hat nie darüber gesprochen, was damals geschehen ist. Er ging in einen Tunnel, kam nach einer Weile wieder heraus und sagte, er habe einen Handel geschlossen: Das System solle augenblicklich von der Baufirma versiegelt werden, dann gäbe es keine Unfälle und Gefährdungen durch Erdrutsche mehr. Und so kam es. Es hielt bis heute.«
»Und jetzt suchst du nach Hinweisen in Abes Unterlagen«, vermutete Anne.
»Ganz recht. Abe war ein Mystiker und tat immer sehr geheimnisvoll, und er konnte einen auf die Palme bringen mit
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