Schartz, S: Elfenzeit 15: Die Goldenen Äpfel
wichen.
»Dein Vater wird dich bald holen lassen, Lamia«, sagte er zu der Königin von Libyen.
Die Hauptschlangen der Reptilköpfigen ringelten sich zu Fragezeichen. Ihre normalerweise starre Miene zeigte Erstaunen. »Mein ... Vater? Bist du sicher?«
»Zu diesem Zeitpunkt existierst du natürlich noch nicht«, fuhr der Getreue fort. »Aber Poseidon ist ein Gott, er wird es wissen und begreifen. Vielleicht lernst du deine Geschwister kennen. Dein Bruder Atlas ist ein attraktiver Mann. Ihr würdet gut zueinanderpassen.«
»Er wird mich kaum bemerken.« Ihre Schlangenzunge schnalzte durch die Luft. »Ich kann dieses Aussehen nicht mehr ändern.«
»Du kennst Atlas schlecht. Ich bin sicher, gerade das wird ihn reizen.« Der Getreue wies auf einen Hügel, über den Reiter auf schnellen, großen Laufvögeln herankamen. Die Gefiederten mochten doppelt so groß sein wie afrikanische Strauße, mit gewaltigem krummem Schnabel.
Lamia strich sich das Kleid glatt, ihr Atem beschleunigte sich. Doch ihre Haltung wurde augenblicklich königlich, sobald die Reiter heran waren. Der Anführer, ein schmucker Elf in eleganter Rüstung und fantasievollem Helm, stieg ab und verbeugte sich vor ihr.
»Edle Lamia, der große Gott Poseidon bittet Euch, mit mir zu kommen. Ihr sollt Unterkunft, Dienerschaft und alles bekommen, was Ihr Euch wünscht und Euch zusteht, ganz Eurem hohen Rang gemäß.« Er wies auf einen mitgeführten reiterlosen Vogel. »Ist Euch dieses Fortbewegungsmittel genehm? Sonst lasse ich Euch eine Sänfte kommen ...«
»Ich bin nicht aus Sirup«, unterbrach Lamia. Sie wandte sich dem Getreuen zu. »Ich weiß nicht, warum – aber ich danke dir. Ich schulde dir etwas.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, Lamia, die Schuld ist bereits beglichen. Lebe wohl, wir werden uns nicht mehr wiedersehen.«
»Mach’s gut«, sagte Kurus enttäuscht. »Schade. Ich dachte, wir würden ein bisschen zusammen herumziehen ...«
»Du kannst mich ja besuchen kommen«, schlug die Schlangenköpfige vor und saß auf dem Laufvogel auf.
Kurz darauf war die Gruppe schon hinter einem Hügel verschwunden.
Der Mantikor drehte den Kopf zu seinem Herrn. »Und was ist mit mir? Wie weit muss ich dich noch tragen?«
»Nicht mehr weit«, versprach der Getreue. »Nur bis zu einem geeigneten Rastplatz.«
Kurus trug ihn also noch einmal in flinkem Lauf, mitten durch das herrliche Reich Atlantis, immer Richtung Norden. Der Tag neigte sich dem Ende zu, als der Getreue endlich den richtigen Rastplatz fand. Er war einer Oase nicht unähnlich, eine geschützte Senke mit einem stillen kleinen See, einem lichten Palmenwäldchen und mit Gras bewachsenem Sandboden. Zwischen den Palmen standen kleine Bäume, die schwer, fast betäubend duftende Blüten und birnenartige, wegen ihrer braunen Borke ziemlich unansehnliche Früchte trugen. Dazu gab es noch mehrere Nusssträucher.
Der Getreue saß ab und schleppte sich müden Schrittes zum See. Kurus stürzte sich halb hinein und soff in tiefen Zügen. Dann schüttelte er sich, dass der Sprühregen in der späten Sonne glitzerte und sein Fell in ein tiefes Rot färbte.
Langsam näherte er sich dem Getreuen, der zusammengesunken am Ufer saß und Nüsse knackte.
»Hast du dich entschieden?«, fragte er. »Muss ich sterben?« Er klang weder aufsässig noch herausfordernd, als habe er sich in sein Schicksal ergeben.
Der Getreue wies auf einen Baum. »Hol zuerst eine von den Früchten und bring sie her, danach reden wir.«
Kurus gehorchte. Die Früchte hingen hoch, aber er richtete sich auf, stemmte die Vorderpfoten gegen den Stamm und pflückte eine vorsichtig mit einer Zahnreihe. Er trug sie zum Getreuen und legte sie vor ihm ab.
Der Verhüllte hob die Hand. »Nein, nein, du musst sie essen. Schlucke sie im Ganzen hinunter, das wird dir guttun und dir deine Kräfte zurückgeben.«
»Ist da Gift drin?«, fragte Kurus misstrauisch.
»Tu, was ich sage, ein letztes Mal. Nur so wirst du erfahren, wie ich entschieden habe.«
»Also gut.«
Der Mantikor packte die Frucht, warf sie hoch in die Luft und fing sie mit geöffnetem Maul auf. Er schluckte hörbar, verzog das Gesicht und schien kurz davor, die Frucht wieder auszuwürgen. »Furchtbar!«, stieß er hervor. »Grässlich! Wenn nicht am Gift, so sterbe ich am Geschmack!«
Dann fiel er um.
Kurus’ Pranke zuckte leicht, als der Getreue aufstand, die Nasenbremse löste und mit einem Ruck aus ihm zog.
»Die brauchst du jetzt nicht mehr«, sagte er ruhig.
Der
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