Schartz, S: Elfenzeit 19: Kampf um Earrach
Hauskatzen beobachteten die Veränderung aus sicherer Entfernung. Die ansässigen Elfen hielten in ihrer Arbeit inne. Sie waren Handwerker, Gärtner und Heiler und bemühten sich um erträgliche Lebensverhältnisse – beispielsweise darum, dass es nie zu kalt wurde und jeder mit dem Notwendigsten versorgt war.
Catan, der seine menschenähnliche Gestalt trug, stellte sich aufrecht in die Mitte des Platzes, damit jeder ihn sehen konnte. »Wer ist hier der Sprecher?«, fragte er laut.
Nach einigem Zögern traten zwei Männer vor, ein Mensch und ein Elf.
Der Mensch war mittleren Alters und recht kräftig. Er trug eine Lederschürze, in der die Werkzeuge eines Schmieds steckten. »Ich bin Weyland«, stellte er sich vor. »Ich spreche für die Menschen.«
»Und ich bin Rufus, Vertreter der Elfen.« Der Elf war alt und hager; aus seinen langen spitzen Ohren wuchsen dicke Haarbüschel, doch er wirkte zäh, und seine hellvioletten Augen funkelten.
»Keine Sorge, ihr guten Leute«, sagte Catan. Auf seinen Wink hin ließen die Fiach Duin die Waffen sinken – steckten sie allerdings nicht ein. »Ich bin Catan. Was ist das hier?«
Weyland übernahm die Erklärung. »Dies ist der Bezirk Dove von Middleark. Früher gab es hier zwei U-Bahn-Stationen, die allerdings lange außer Betrieb sind. Eine davon ist bereits seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts aus allen Plänen verschwunden, als habe es sie nie gegeben. Zudem wurden einige Bereiche im Zweiten Weltkrieg zu Bunkern ausgebaut. Diese haben wir teilweise zusammengelegt und erweitert. Wir haben Kontakt zur Oberwelt, wenn wir wollen, aber wer den Weg nicht kennt, kann nicht zu uns finden.«
»Seid ihr zufrieden mit eurem Leben hier unten?«
»Mehr als mit dem oben, sonst blieben wir nicht hier.«
»Dennoch«, fuhr Catan fort, »seid ihr der Vizekönigin von Middleark unterworfen und ihren Launen ausgesetzt.«
»Worauf willst du hinaus?«, fragte Rufus ungehalten.
»Fanfreluche schützt uns«, verteidigte Weyland seine Heimat. »Sie verwaltet Middleark im Auftrag ihrer Schwester, Königin Bethlana von Llundain, ohne die unser friedliches Leben nicht möglich wäre. Sie ist eine gute Fee.«
Catans helle, gelbblaue Augen glitzerten. »Sehnt ihr euch denn nicht nach der Sonne, freiem Himmel und weitem Grasland?«
»Das gibt es nicht für uns. Wir haben alle frei gewählt.«
»Wenn ich euch nun sage, dass ich euch in ein solches Reich führen kann, wärt ihr bereit, an meiner Seite zu kämpfen, bis der Weg dorthin frei ist?«
Weyland lachte geringschätzig. »Was für ein Wunderreich sollte das wohl sein?«
»Genau das ist es, im wahrsten Sinne des Wortes: der wahr gewordene Traum eines Menschen, der nur das Beste für sein Volk wollte. Das Reich des Priesterkönigs Johannes.«
Damit hatte er bei den Menschen ins Schwarze getroffen, zumindest bei den Älteren. Er sah es an ihren Mienen und wie sie flüsternd die Köpfe zusammensteckten.
»Was für ein Unsinn«, sagte der Schmied trocken.
»Das stimmt nicht!«, rief jemand. »Das Reich existiert! Es gibt Briefe!«
»Vergesst ihr das oberste Gebot?«, warnte Rufus. »Elfen lügen! Catan ist ein Elf, er ist nicht von hier. Seht ihn euch an! Wieso kommt jemand, der ein Volk ins Gelobte Land führen will, mit Waffen? Wieso kommt er überhaupt? Elfen teilen ihr Leben nicht mehr mit Menschen, das ist lange vorbei! Middleark ist das letzte Gebiet, und hier ist es nur deswegen so, weil wir vor den Augen beider Welten im Verborgenen leben!«
Weyland unterstützte ihn. »Wieso kommt er jetzt, da die Welten ineinander zu stürzen drohen? Ich sage euch, das Land ist zerstört. Auch dort hat die Zeit Einzug gehalten.«
»Aber so muss es nicht bleiben!«, rief Catan in das lauter werdende Gemurmel. »Wir können das Reich wieder aufbauen – mit euch! Schon einmal hat das ein Mensch vollbracht – warum kein zweites Mal? Wir können uns gegenseitig helfen!«
»Und die Waffen?«, rief eine weibliche Stimme.
»Was glaubt ihr wohl, wie gut unsere Suche aufgenommen wird? Noch dazu, wenn ihr uns alle folgt! Welcher Herrscher kann das schon zulassen?«
Rufus hob die Hände. »Hört nicht auf ihn! Er will euch nur benutzen!«
Einige Menschen standen auf. »Das können wir immer noch entscheiden«, sagte eine Frau. »Aber zuerst werden wir uns anhören, was er uns zu sagen hat! Jeder hat das Recht, gehört zu werden, das ist das Gesetz von Middleark!«
Viele zustimmende Rufe wurden laut. Catan lachte innerlich.
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