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Schartz, S: Elfenzeit 19: Kampf um Earrach

Schartz, S: Elfenzeit 19: Kampf um Earrach

Titel: Schartz, S: Elfenzeit 19: Kampf um Earrach Kostenlos Bücher Online Lesen
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war. Er war völlig reglos, schlaff wie eine ausgestopfte Puppe. Oder … nun, wie ein Leichnam, der er ja tatsächlich war.
    Warum …
, fing Tom einen Gedanken an.
    Dann prallte er auf.
    Als Tom wieder zu sich kam, umgab ihn überraschenderweise nicht Finsternis, sondern Dämmerlicht. Die Luft war kühl und roch alt und staubig, aber nicht ungesund. Der Boden war trocken. Der Journalist rappelte sich auf und sah sich verwirrt um. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass sechs Stunden vergangen waren. So viel Zeit war seit dem Ansturm auf den Thronsaal vergangen? Wie lange war er gefallen, wie lange bewusstlos gewesen? Tom rieb sich die Kehle, hustete mehrmals und räusperte sich. Durst quälte ihn, aber das war in dieser … Tiefe? … kein Wunder.
    Allmählich gewöhnten sich seine Augen an das dämmrige Licht, und er sah, dass sie in einer Höhle gelandet waren. Etwa drei Meter über ihm war das Loch, durch das er und Cagliostro gestürzt waren, aber es gab noch weitere Löcher an der Decke, durch die mattes Licht einfiel. Das erklärte, wieso nicht pechfinstere Nacht herrschte. Der Blick ringsum zeigte, dass der Fall keineswegs so lange gedauert haben konnte, wie es Tom vorgekommen war. Denn da gab es eine uralte, verrostete metallene Wendeltreppe; jede Menge künstlich erzeugter Schutt lag herum, alte Maschinenteile und sogar Schienenreste. Wie es aussah, war Tom im Überrest eines U-Bahn-Abschnitts gelandet, der vermutlich aus der Zeit der ersten Bauphase vor 1863 stammte, aber schon damals aufgegeben worden war.
    Womöglich gab es sogar einen Weg hinaus!
    »Himmel noch mal«, murmelte Tom. »Das solltest du sehen, Nadja. In was bin ich da nur wieder hineingeraten!«
    Von U-Bahnen, unterirdischen Tunneln und Gleissystemen hatte er endgültig genug. Das Abenteuer in München hatte ihm schon die Haare zu Berge stehen lassen, aber London war der Gipfel oder vielmehr das tiefste Loch des Abgrunds. Und er war immer noch nicht tot.
    Vorsichtig tastete er sich ab. Der ganze Körper tat ihm weh, die Kleidung war zerrissen und staubig, überall Prellungen, Quetschungen und Abschürfungen. Aber er hatte sich nichts gebrochen und war nicht weiter verletzt. Wie durch ein Wunder hatte er den Sturz nahezu ohne Blessuren überstanden.
    »Das ist doch alles Wahnsinn.«
    Nachdem Tom seine Untersuchung beendet hatte, sah er sich nach Cagliostro um. Der musste schließlich irgendwo sein. Er entdeckte ihn ein Stück abseits, auf dem Rücken liegend. Selbst mit seinem veränderten Blick stellte Tom nichts Ungewöhnliches an ihm fest, kein finster waberndes Nichts, aufgeladen mit magischer Energie. Dort lag einfach nur ein toter Mensch.
    Er hat es überstanden
, dachte Tom und war für einen Moment beinahe gerührt. Selbst einer wie Cagliostro hatte Erlösung verdient. Der Flashback hatte offensichtlich seine Magie vollständig vernichtet, und damit war von dem seelenlosen Untoten nichts mehr übrig außer einer leeren Hülle, die wahrscheinlich bald zerfallen würde. Immerhin war er um die zweihundertvierzig Jahre alt und hatte den Tod jahrhundertelang betrogen.
    Dennoch: Am besten überzeugte Tom sich unmittelbar davon, dass Cagliostro nicht mehr existierte. Ächzend und stöhnend stemmte sich der junge Mann auf die Beine, trotz der protestierenden gequälten Muskeln. Ihm war schwindlig und übel, und der Durst brannte in seiner Kehle. Doch schlappmachen galt nicht, nicht bis alles vorbei war. In schiefer Haltung humpelte er auf den reglosen Leichnam zu – und erstarrte.
    »Das ist doch nicht möglich«, wisperte er. Er rieb sich die Augen, dann die Stirn. »Oh nein. Nein, nein …«
    Ein junger Mann mit kurzen schwarzen Locken lag da vor ihm. Jünger als dreißig, höchstens wie Mitte zwanzig. Die Gesichtshaut war völlig glatt, jeder grausame Zug um die vollen Lippen verschwunden, ebenso die steilen Furchen auf der Stirn. Er sah so … unschuldig aus. Nichts erinnerte mehr an den dekadenten Conte Piero del Leon oder den späteren seelenlosen Untoten. Was da lag, war ein aufgeschlagenes Buch voller unbeschriebener Seiten.
    Tom schluckte.
    Cagliostros dunkle, fast schwarze Augen waren weit offen. Und darin sah Tom mit seinem wahrsichtigen Blick ein verängstigtes Kind. Was er zuvor als Gedankenfetzen vernommen hatte, fügte sich nun zu einer Lebenserinnerung zusammen. Tom tauchte tief in die Augen ein und folgte dem Kind, das durch ein großes, dunkles Haus lief. Immer wenn es eine Tür öffnete, war darin eine Erinnerung zu

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