Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schartz, S: Elfenzeit 19: Kampf um Earrach

Schartz, S: Elfenzeit 19: Kampf um Earrach

Titel: Schartz, S: Elfenzeit 19: Kampf um Earrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
der Schule waren hinter ihm her. Und Tom. Aber das durfte niemand wissen. Also versuchte Tom, Marco zu vergessen. Ihm aus dem Weg zu gehen. Doch je mehr er das tat, desto schlimmer wurde es.
    Tom litt Höllenqualen. Ab und zu unternahm er den Versuch, sich Marco zu offenbaren. Doch es wurde nie etwas daraus. Durch seinen Liebeskummer veränderte sich Toms Verhalten, und er sah sich noch mehr als sonst der Verachtung seines Vaters ausgesetzt. Dem Gespött seiner Mitschüler, die ihm schon länger den Spitznamen
Schwuchtel
verliehen hatten, ohne den wahren Hintergrund zu kennen. Ihre Art, sich über Homosexuelle zu äußern, trug nicht gerade dazu bei, dass Tom sich outen wollte. Im Gegenteil.
    Es gab ohnehin niemanden, mit dem er darüber reden konnte. Wen kümmerte schon, wie es in ihm aussah? Die einen verspotteten ihn, die anderen mochten ihn als Spaßmacher und fröhlichen Kumpel. Aber so wirklich gehörte er nirgends dazu.
    »Und was ist nun schlimmer geworden?«, wollte der Fremde wissen. Er hatte die ganze Zeit aufmerksam zugehört, ohne Tom zu unterbrechen. Dass Tom sich nicht für Mädchen, sondern für Jungs interessierte, schien ihn nicht im Geringsten zu stören.
    »Marco zieht weg«, stieß Tom hervor. »Ich habe ihn gefragt, ob wir in Verbindung bleiben, doch er meinte, das sei keine gute Idee. Er … er hat es gewusst, die ganze Zeit! Und er sagte, ich sei … abartig … und ich sei …« Er konnte nicht mehr weiter, vergrub den Kopf in den Armen und heulte laut los.
    Als er eine große Hand auf seinem Kopf fühlte, zuckte er zusammen. Der Fremde war ihm nun sehr nah. »Kleiner«, sagte er sanft. »Das ist nur dein erster Liebeskummer. Daran geht man nicht zugrunde.«
    »Ich werde nie jemanden haben«, schluchzte Tom.
    »Unsinn«, erwiderte der Mann. »Auch wenn dein Schmerz groß ist, Tom, und du dich sterbenselend fühlst – du hast in Wirklichkeit noch nicht aufgegeben. Sonst wärst du längst gesprungen. Wie lange hast du da gesessen, bis ich des Weges kam? Eine Stunde? Zwei?«
    »Ich … ich wollte alles abwägen …«
    »Aber sicher. Und hast du es herausgefunden?«
    »Was meinen Sie …«
    »Wen du damit bestrafen willst. Dich oder die anderen? Wenn du dich bestrafen willst, gut, dann ab in den Fluss. Du bist Staatsanwalt, Angeklagter und Richter über dich selbst und fällst das Urteil. Aber wenn du die anderen bestrafen willst, ist das eine ganz lausige und blöde Idee. Weil du dann nämlich tot bist und
die
munter ohne dich weiterleben, als wäre nichts geschehen. Damit bewirkst du gar nichts, und Verständnis erntest du so auch nicht.«
    Tom hob den Kopf. »Es hat doch keinen Sinn …«
    »Das hast du schon einmal gesagt, und offen gestanden verärgert es mich, denn solche Sprüche kann ich ganz und gar nicht leiden. Da kann ich richtig ungehalten und sehr unangenehm werden. Deshalb sage ich dir jetzt etwas.« Der Mann beugte sich über ihn. Sein Gesicht, nach wie vor unter dem Hut verborgen, kam näher. »Du hast nur dieses eine Leben, Junge, und es hat nicht mal richtig angefangen. Willst du ein Held sein? Nicht mehr auf der Reservebank bleiben? Dann runter mit dir, stell dich und nimm das Leben an! Es gibt immer einen Weg, eine Wahl, eine neue Strategie in einem Spiel. Und wenn man dieses verliert, findet sich immer ein anderes, in dem man gewinnt. Das Gute an der Sterblichkeit ist, dass sie ständiger Veränderung unterworfen ist. Alles geht weiter, nichts bleibt stehen. Morgen geht die Sonne wieder auf, ob du sie sehen kannst oder nicht: Sie ist da. Genauso wie du.«
    Der Mann richtete sich auf und versuchte, den triefnassen Mantel in Form zu bringen. »Du hast Pläne, nicht wahr? Du schreibst gern. Du hast einen scharfen Blick, und du siehst das Leben aus einer anderen Perspektive, weit über den Tellerrand hinaus, weil du nicht so bist wie manche andere. Also dann, bewege etwas! Beschreibe die leeren Seiten! Deine Aufgabe ist noch nicht beendet.«
    »Aufgabe?«
    »Sicher. Jeder von uns hat eine Aufgabe.«
    Der Mann wandte sich zum Gehen. Der Regen strömte wie ein Vorhang zwischen ihnen beiden herab und ließ seine hünenhafte Gestalt verschwimmen. »Und die Antwort lautet: Weil jeder eine zweite Chance verdient hat.«
    »Aber ich habe doch gar keine Frage gestellt!«, rief Tom verwirrt hinterher.
    »Das wirst du.« Der Mann lachte und spannte einen jämmerlichen Schirm auf. Pfeifend schritt er davon. »
I’m singin’ in the rain …
«
    »Alles in Ordnung?«, erklang Marcos Stimme

Weitere Kostenlose Bücher