Schartz, S: Elfenzeit 20: Der Atem der Unsterblichkeit
getrieben worden, abgeschnitten von seinen eigenen Leuten, die den magischen Schutzwall zu ihm ebenso wenig durchdringen konnten wie ihren eigenen. Er stand allein und war in diesem Moment weiter entfernt von dem pulsierenden Punkt denn je.
Mit dem Stab in der Hand drehte er sich langsam um die eigene Achse. Sein Mantel flatterte im Wind, doch keine Kälte ging von ihm aus. Zum ersten Mal schien er ratlos zu sein.
»Hebt die Waffen! Speerarm bereit, Bogen gespannt!«, fuhr David fort.
»Damit können wir ihn höchstens kurzzeitig töten«, sagte Nadja leise, als sie bei ihm ankam.
»Das weiß ich«, gab er ebenso leise zurück. »Aber wir können ihn aufhalten, verwunden, niederwerfen – und dann haben wir den Stab. Den
können
wir vernichten, da bin ich sicher!«
»Guter Plan.«
»Der beste.«
Eine schrille, dünne Stimme erklang von jenseits der Mauer aus Kriegern. »Gebieter, was sollen wir tun? Wir können Euch nicht erreichen!«
Nadja erschauderte zutiefst, als sie den Blick des Getreuen plötzlich auf sich gerichtet fühlte.
Lass es nicht zu, Nadja. Du weißt, dass ich es tun muss
.
Sie schüttelte den Kopf und rieb sich das Ohr.
Nadja
. Sie
hörte
den Klang seiner tiefen Stimme sogar in den Ohren, der ein nur allzu vertrautes Vibrieren in ihr auslöste.
Wir waren uns schon so nahe … Tu mir das nicht an
.
Wir waren uns niemals nahe! Du wolltest mich … mich
…
Du wolltest
mich.
Erinnere dich! Und verschließ die Augen nicht vor der Wahrheit: Ich bin die einzige Hoffnung, die ihr habt!
Nadja packte Davids Arm. »Zögert nicht!«, zischte sie. »Ich verliere gleich die Kontrolle über mich.«
»Warum sollte es möglich sein, dass wir ihn besiegen?«, fragte Pirx, der auf der anderen Seite stand. »Nadja, du hast uns erzählt, dass er Annes Vater ausgelöscht hat … mit einem Fingerschnippen. Wieso ist er jetzt so hilflos? Das muss doch einen Grund haben!«
»Unterschätze Morgana nicht«, versetzte David. »Sie gehört zu den Mächtigsten.«
Nadja!
Ein Flehen lag in der Stimme des Getreuen.
Ihr Magen krampfte sich zusammen, und sie spürte einen Stich im Herzen. Nadja taumelte und schluchzte auf. »Ich halte das nicht mehr aus! Er
bettelt
…«
»Was ist, wenn wir einen Fehler machen?«, rief Pirx.
Grog packte seine Schulter und schüttelte ihn. »Hör auf! Er beeinflusst uns! Das ist nur ein Trick!«
David wandte sich Nadja beunruhigt zu. »Was ist mit dir?«
»Gib endlich den Schießbefehl …«, stöhnte sie. »Er ist in mir …«
Doch er zögerte. »Wenn du derart mit ihm verbunden bist … kann dich das töten.«
»Es tötet mich sowieso!« Kraftlos rutschte sie an David hinab und sank auf die Knie. »Lass mich in Ruhe!«, schrie sie Richtung Wall. »Ich kann dir nicht helfen! Ergib dich, dann hat das Blutbad ein Ende!«
David stieß einen Fluch aus. »Näher heran! Verdichtet die Mauer!« Sehr leise gab er noch einen weiteren Befehl an Aoibhe: »Vier von euch schießen jetzt auf ihn, aber ihr dürft ihn nicht treffen! Haltet ihn beschäftigt, er darf es nicht merken. Ich will ihn ablenken, damit er Nadja freigibt. Sobald das geschehen ist, muss das Feuer von allen eröffnet werden und dann gezielt!«
Die Generalin nickte und wählte drei weitere Elfenkrieger aus.
Dann rückten sie vor, zogen den Ring noch enger um den Getreuen. Von vier Positionen aus flogen Pfeile und Speere auf ihn zu, die ihn nur knapp verfehlten. Morganas magischer Wall hielt sie nicht auf. Der Getreue wich instinktiv aus, verlor das Gleichgewicht und strauchelte.
»Nadja!«, rief er nun laut.
Sie hielt sich die Ohren zu. »Jetzt!«, stieß sie hervor.
»Feuer!«, schrie David.
Und sie nahmen den Getreuen von allen Seiten unter Beschuss.
Er gab nicht leicht auf. Er wirbelte so schnell herum, dass er nur noch als flirrender schwarzer Schatten erkennbar war, fing Pfeile auf, wehrte Speere ab. Doch es waren zu viele. Sein Körper wurde zurückgeschleudert, als der erste Speer auf ihn traf, und nur wenige Augenblicke später ging der Verhüllte stöhnend unter dem daraufhin auf ihn einprasselnden Beschuss zu Boden. Blitzschnell färbte sich der Sand blutrot, bildete einen weiten Kreis um ihn.
Die Krieger hielten inne. Es gab keine freie Stelle mehr, die sie noch treffen konnten, und entfernt hörten sie Cor und den Kau aufschreien. Die zwei Wesen versuchten, sich durch die Reihen zu kämpfen, doch vergebens: Der magische Wall hielt sie auf. Aber er bekam Risse. Die Krieger von Swartson versammelten
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