Schartz, S: Elfenzeit 20: Der Atem der Unsterblichkeit
befürchtet, aber ich kann nicht überall gleichzeitig sein. Deswegen muss ich sofort zu den beiden Kobolden. Sagt ihnen, dass ihr eine Nachricht von Nadja für sie habt. Sie müssen dabei allein sein. Das ist alles.«
Byron und Casanova zögerten. Sie waren zu Recht misstrauisch. »Wenn du uns hereinlegst, du Unhold«, drohte der Lord schließlich, »lass dir versichert sein, wir werden einen Weg finden, Rache zu nehmen.«
»Es ist ein Handel«, wiederholte der Getreue. »Geht darauf ein oder lasst es bleiben und erleidet einen äußerst unangenehmen zweiten Tod, aber entscheidet euch jetzt.«
Sie gaben sich einen Ruck. »Also schön! Auf diese Bedingungen können wir eingehen.«
Die beiden Geister fassten sich an der Hand, schlossen die Augen und konzentrierten sich. Nach kurzer Zeit bildete sich vor ihnen ein winziger schwarzer Punkt, der sich rasch vergrößerte und ausweitete. Schließlich lag ein etwa zwei Mann großes Loch vor ihnen. Mit Anstrengung ließ sich wenige Schritte hinter dem Durchgang ein wabernder, schwankender Schlauch erkennen.
»Wir sind durch«, sagte Byron. »Ich weiß allerdings nicht, ob bis zum Schloss. Es ist an sich sehr gut gesichert.«
»Ich habe bereits eine Verbindung geschaffen«, eröffnete der Getreue. »Erst vor Kurzem.«
»Ihr wart dort?«, rief Casanova entgeistert.
»Ja. Ich konnte einen Anker hinterlassen. Dennoch kann ich nicht so einfach dorthin zurück, nicht in materieller Form. Wie ihr festgestellt habt: Das Baumschloss ist gesichert. Jetzt geht und meldet mich an.«
Die Geister zögerten noch einmal. Dann gehorchten sie.
Pirx und Grog waren sofort nach der Ankunft auf ihr Zimmer gerannt und hatten sich eingeschlossen. Sie sperrten Augen und Ohren vor dem Chaos zu, das überall herrschte. Gewaltige Schläge donnerten unten gegen das Tor.
»David glaubt, wir haben ihn verraten!« Der Pixie heulte und zerknautschte das rote Mützchen in seinen Händen.
»Haben wir doch auch«, sagte der Grogoch mit zitternder Kartoffelnase. »Pirx, ich weiß nicht mehr weiter. Was sollen wir nur tun?«
Das Schloss erzitterte unter weiteren Schlägen und dem Schwanken der Welten, und sie stolperten durch den Raum.
»Ich weiß auch nicht, ich weiß es einfach nicht«, jammerte Pirx. »Wir können niemandem mehr in die Augen sehen!«
Grog blieb abrupt stehen. »Pirx, was ist das?«, flüsterte er und deutete auf ein finsteres Loch in der Wand, das sich rasch bis zu Mannshöhe vergrößerte.
Hilflos aneinander geklammert, verharrten sie davor und warteten ab, was geschah. Das Staunen war groß, als sie Lord Byron und Casanova am Eingang erkannten, Nadjas Freunde aus Venedig.
»Wir haben eine Botschaft von Nadja zu überbringen«, sagte Casanova. »Nehmt ihr sie an?«
»Nadja? Sie … Wo ist sie? Geht es ihr gut? Ja, gebt sie uns!«, rief Pirx aufgeregt, bevor Grog ihm über den Mund fahren konnte.
»Pirx, du vorlauter Dummkopf!«, sagte der Grogoch traurig. »Wann denkst du endlich mal, bevor du losplapperst?«
»Aber das sind Freunde von ihr!«, gab Pirx zurück. »Und wir müssen erfahren, wie es Nadja geht! Nur so kann David uns jemals verzeihen!«
»Seid ihr allein?«, fragte Casanova. »Es ist wichtig, dass ihr die Nachricht allein empfangt, denn nur für euch ist sie bestimmt.«
Pirx öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
»Sicher«, antwortete Grog müde. »Wir sind allein. Bringt uns die Nachricht.«
Die beiden Geister nickten und entfernten sich.
»Meinst du, die haben uns gerade verraten?«, piepste Pirx verzagt.
»Unschuldiger Narr, du.«
Da schlug schon die Kälte aus dem Tunnel, und sie drängten sich noch enger aneinander. Es gab kein Entrinnen, und das hatten sie eigentlich immer gewusst.
Eine schwarze Gestalt schob sich geduckt aus dem Durchgang, stellte sich auf den Boden und richtete sich vor den Kobolden auf.
»Es ist an der Zeit«, sagte der Getreue. »Erinnert ihr euch an den Handel, den wir in der Höhle der Skylla schlossen?«
Damals auf Sizilien waren sie alle Gefangene gewesen, und die beiden Kobolde hatten unter seinem Einfluss den Getreuen befreit. Anschließend hatte er ihnen Freiheit und Schutz zugesichert, wenn sie einen Handel mit ihm eingingen. Und das hatten sie getan. Ihnen war keine Wahl geblieben.
Die beiden Kobolde schlotterten nun. »Ja«, fiepte Pirx. »Und ich hoffe, der Preis ist nicht zu hoch …«
»Ganz im Gegenteil.« Der Getreue ging nah bei ihnen in die Hocke, legte je eine Hand auf Pirx’ und Grogs Schulter und
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