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Schatten Blut

Schatten Blut

Titel: Schatten Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abrantes
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wirklich nicht nötig, Mrs. –« Ich redete inzwischen mit einer Wand. Mrs. Morningdale fuhrwerkte derweil im Bad herum und kehrte kurz darauf zurück. Jacko stets in ihrem Kielwasser.
    »Dass ihr jungen Dinger aber auch immer widersprechen müsst.« Sie riss mit Schwung das Pflaster herunter und ich schnappte nach Luft. Mit Feuereifer machte sie sich ans Versorgen der Wunde. »Wirkt viel schlimmer als es ist. Das könnte jetzt leicht brennen. Genäht werden muss die Wunde nicht. Wo haben Sie sich denn da geschnitten, ist eine recht ungewöhnliche Stelle. So, und jetzt noch den Verband drum.« Sie umwickelte mein Bein mehrmals mit der Binde und sah dann lächelnd zu mir hoch. »Fertig. Und nennen Sie mich bitte Ernestine.«
    Ich hatte genickt, mit dem Kopf geschüttelt, mit den Schultern gezuckt. Nun nickte ich wieder.
    »So!« Ernestine klopfte mir aufmunternd aufs Knie und zog den Fußschemel heran, auf den sie sich setzte. »Dann erzähl mal, Kindchen, warum du das Salz vor die Tür geschüttet hast. Kommt ja nicht jeden Tag vor, dass sich ein Bannkreis im Flur befindet.«
    »Ein was?« Ich musste sie angesehen haben, als hätten sich die Lockenwickler in Schlangen verwandelt und Medusa stände leibhaftig vor mir.
    »Das Salz vor der Tür«, half sie meiner Begriffsstutzigkeit auf die Sprünge und betrachtete mich verwundert. »Salz bannt dunkle Mächte. Die Reinheit der Kristalle in Verbindung mit der Unangreifbarkeit eines Kreises wirft die Energie des Bösen zurück wie eine Spiegelwand und schützt jeden, der sich in der Mitte des Kreises befindet. Du hast das nicht gewusst.«
    Dunkle Mächte? Böses? Bannkreise aus Salz? Das klang nach Mythen, Magie, Märchen und vor allem nach Aberglauben. Meine Erfahrungen hatten mich etwas anderes gelehrt. Wenn etwas böse war, so war es der Mensch selbst. Auf meinen Reisen hatte ich oft genug gesehen, wie Menschen Kriege führten, sich gegenseitig umbrachten. Vielfach im Namen des Herrn, den sie wie ein Entschuldigungsschreiben für ihre Taten vor sich hertrugen. Aber da gab es nichts Mystisches, keinen Teufel oder Gott, keine Geister oder gar Vampire. Nichts Erkennbares. Nichts, das sich auf Bildern festhalten ließ. Zumal ich nicht einmal an solche Sachen glaubte. Mein Verstand negierte deren Existenz vehement.
    Und doch saß ich hier im Nachthemd auf dem Küchenstuhl und sprach mit einer alten Dame, die vor mir auf einer Fußbank hockte. Ich hatte Albträume von eben jenen Dingen, die ich innerlich so energisch ablehnte. Ich trug Wunden am Körper, die nicht da sein durften. Es lag Salz vor meiner Tür, dessen Existenz nicht erklärbar war. Mich fröstelte. Wo war ich bloß hineingeraten?
    »Ich habe das da aber nicht hingestreut«, versuchte ich mit zitternder Stimme zu erklären. »Ich habe überhaupt keine Ahnung, wie das da hinkommt.«
    »Und das hier?« Sie wies auf das Salz vor meiner Zimmertür. »Weißt du etwas darüber.« Als ich den Kopf schüttelte, murmelte sie nachdenklich: »Das dachte ich mir fast.«
    Vielleicht hatte Julie das Zeug selbst hingestreut und wollte mich damit ärgern? Ich erinnerte mich an Zahnpasta auf der Türklinke, Brötchenkrümel in den Strümpfen und feuchte Watte im Schuh. Aber waren wir dazu nicht inzwischen etwas zu alt? Außerdem hatte ihr Ärger weniger gespielt, sondern verflixt real ausgesehen. Nein, ich schüttelte den Kopf, das war es sicherlich nicht!
    »Was denkst du.« fragte Ernestine ernst.
    »Ich dachte daran, dass vielleicht Julie –«
    »Unsinn.« unterbrach sie mich streng. »Deine Schwester ist ein blondes Schaf auf der Weide, nichts weiter!«
    Verblüfft starrte ich sie an. Julie und ein Schaf? Sie hatte mich vorhin mehr an eine erzürnte Wölfin erinnert, aber garantiert nicht an ein Schaf!
    »Nun gut.« Ernestine stützte sich auf meinem Knie ab und erhob sich. »Du frierst, Kind. Also zieh dir erst mal etwas über. Ich sollte mich ebenfalls ankleiden und mit Jacko rausgehen, er macht sonst noch in den Flur.« Damit ging sie zur Tür, blieb dort nochmals stehen und sah mich fest an. »In einer Stunde habe ich den Tee fertig, dann kommst du zu mir.« Schon war sie fort und die Tür fiel zu.
    Jetzt fiel mir nichts mehr ein! Wann hatte jemand mit mir das letzte Mal in diesem Befehlston gesprochen? War ich eine Dienstmagd, die man einfach so herumschubsen konnte? Erst fuhr mich Julie an, dann wurde mir von Ernestine etwas befohlen. Hallo? Hatten alle um mich herum den Verstand verloren? Oder hatte gar ich einen

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